Entgeltfortzahlung

Einführung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Das Bild zeigt einen abgegebenen Krankenschein vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung

Entgeltfortzahlung

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist eine Durchbrechung des arbeitsrechtlichen Grundsatzes "ohne Arbeit kein Lohn". Im Krankheitsfall erhält der Arbeitnehmer also für 6 Wochen seinen Lohn, ohne dass er seine Arbeitsleistung erbracht hat oder nachholen müsste. Rechtsgrundlage ist das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Das Aufwendungsausgleichsgesetz wiederum regelt die Erstattung der Ausgaben des Arbeitgebers durch die Krankenkasse. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht auch bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht erstmalig, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen vier Wochen angedauert hat.

Voraussetzung und Dauer der Entgeltfortzahlung

Die Zeiten eines vorangegangenen Ausbildungsverhältnisses können auf die Wartezeit von vier Wochen anrechnet werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz ist auch bei geringfügig Beschäftigten anwendbar. Besteht ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld während des Mutterschutzes, dann ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer muss ferner aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig sein. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die ausschließliche Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sein. Bei Arbeitsunwilligkeit und Suspendierung der Lohnzahlungspflicht (Bsp: Aussperrung) besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Den Arbeitnehmer darf an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden treffen (z.B. Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer selbstverschuldeten Schlägerei; fraglich bei Risikosportarten mit erheblichem Verletzungspotential - Boxen, usw.).
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für maximal sechs Wochen (42 Kalendertage). Legt der Arbeitnehmer krankheitsbedingt die Arbeit nieder, dann beginnt die Entgeltfortzahlung erst am folgenden Tag. Am Tag der Erkrankung selbst erhält der Beschäftigte noch das volle Arbeitsentgelt. Der Zeitraum von sechs Wochen verlängert sich nicht, sofern während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Erkrankung hinzutritt. Bei einer sich anschließenden Arbeitsunfähigkeit infolge einer anderen Erkrankung entsteht dagegen ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung über sechs Wochen.

Anzeigepflicht und Nachweispflicht

Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Verzögern. In der Regel bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer noch vor Arbeitsbeginn telefonisch oder per Mail die Arbeitsunfähigkeit melden muss, damit der Betriebsablauf nicht gestört wird. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, dann muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorlegen. Der Arbeitgeber hat bis zur Vorlage der AU-Bescheinigung ein Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung. Die Verletzung von Anzeige- oder Nachweispflichten führt häufig zu Abmahnungen in Vorbereitung einer Kündigung. Sie sollten daher vom Arbeitnehmer dringend eingehalten werden. Die Fristen für die Anzeige- und Nachweispflichten der Arbeitsunfähigkeit können im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag verkürzt werden.

Höhe der Entgeltfortzahlung

Es gilt das sog. Entgeltausfallprinzip. Der Arbeitnehmer erhält also während seiner Erkrankung in den ersten sechs Wochen nach 4 Abs. 1 EFZG seinen bisherigen Lohn weitergezahlt. Nicht fortzuzahlen sind allerdings Auslösungen, Schmutzzulagen und freiwillig gezahlte Trinkgelder usw. Vereinzelt auftretende Überstunden werden regelmäßig nicht berücksichtigt. Sonderzahlungen können für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit reduziert werden. In einem Tarifvertrag können abweichende Regelungen - auch zu Lasten der Arbeitnehmer - vereinbart werden. Wird das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt, dann behält der Beschäftigte den Entgeltfortzahlungsanspruch auch eventuell über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.

Sonstiges zur Entgeltfortzahlung

Verweigert der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung des Arbeitsentgelts, so geht der Anspruch des Arbeitnehmers in Höhe des gezahlten Krankengelds auf die Krankenversicherung über. Der Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist unabdingbar (man kann ihn also nicht vertraglich ausschließen). Eine Ausnahme gilt lediglich für die Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes. Gem. § 1 Abs. 1 AAG hat der Arbeitgeber - mit regelmäßig weniger als 30 Arbeitnehmern - einen prozentualen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkassen.

Einheitlicher Verhinderungsfall

Neue und weitreichende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2019, Az: 5 AZR 505/18:

Folgt auf eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von sechs Wochen gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) eine weitere Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, dann stellt sich die Frage, ob erneut ein Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen entsteht oder der Zeitraum für die Entgeltfortzahlung auf die ersten sechs Wochen beschränkt bleibt (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls oder Versicherungsfalls). Es sind folgende verschiedene Fallvarianten zu unterscheiden:

1. Beruht die neue Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit, dann liegt eine Fortsetzungserkrankung vor, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG einen weiteren Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließt.

2. Stellt sich die neue Erkrankung erst später als Fortsetzungserkrankung heraus, dann ist die Entgeltfortzahlung ebenfalls ausgeschlossen.

3. Führen zwei unterschiedliche Erkrankungen - jeweils isoliert betrachtet - nicht zur Arbeitsunfähigkeit, sondern nur bei gemeinsamem Auftreten, dann liegt trotzdem eine Fortsetzungserkrankung vor, sofern später eine der beiden Krankheiten erneut auftritt und allein zur Arbeitsunfähigkeit führt.

4. Liegen zwei unabhängig voneinander entstandene Krankheiten und zwei zeitlich voneinander unabhängige Versicherungsfälle vor, dann ist der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht anwendbar. Somit entstehen zwei Entgeltfortzahlungszeiträume von jeweils 6 Wochen, selbst wenn die Arbeitsfähigkeit außerhalb der Arbeitszeit wiederhergestellt wurde (schwierige Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers).

5. Bei einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§ 9 EZFG) ist zu unterscheiden: Trifft die Kur mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge einer Erkrankung nach § 3 Abs. 1 EFZG zusammen, dann ist der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht anwendbar. Ist die Kur dagegen wegen desselben Grundleidens bewilligt, dann gelten die Grundsätze für die Fortsetzungserkrankung. Die Entgeltfortzahlung ist dann auf nur sechs Wochen begrenzt.

Darlegungs- und Beweislast

Wie verteilt sich in den vorgenannten Fällen die Darlegungs- und Beweislast der Parteien des Arbeitsvertrages ?

Grundsätzlich gilt, dass die dem Arbeitnehmer obliegende Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG in aller Regel durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) erbracht werden kann. Diese AUB von - inländischen und ausländischen - Ärzten hat einen hohen Beweiswert. Der hohe Beweiswert der AUB gilt auch für den Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Arbeitsunfähigkeit. Der Beweiswert der AUB kann allerdings z.B. durch eine angekündigte Arbeitsunfähigkeit erschüttert werden.

Ist zwischen den Parteien streitig, ob nach Ablauf des 6-Wochen-Entgeltfortzahlungszeitraums eine Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit oder auf einer anderen, Erkrankung beruht, dann muss der Arbeitnehmer die anspruchsbegründenden Tatsachen seines Anspruchs auf Fortzahlung seines Entgelts darlegen und beweisen. Er muss zunächst im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast die Tatsachen vortragen, die gegen eine Fortsetzungserkrankung sprechen. Eine Möglichkeit dieser Darlegungs- und Beweislast im gerichtlichen Verfahren nachzukommen, ist die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Die abschließende objektive Beweislast für eine Fortsetzungserkrankung trägt dann der Arbeitgeber.

Ist zwischen den Parteien streitig, zu welchem Zeitpunkt die neue Erkrankung aufgetreten ist (Bsp: erste Erkrankung endet vor dem arbeitsfreien Wochenende und zweite Erkrankung beginnt nach dem arbeitsfreien Wochenende), dann haben regelmäßig die Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die neue Erkrankung tatsächlich erst nach Beendigung der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Wenn sich an die erste Arbeitsverhinderung in engem zeitlichem Zusammenhang eine weitere - als Erstbescheinigung attestierte - Arbeitsunfähigkeit anschließt (z.B. nur durch das arbeitsfreie Wochenende getrennt), dann gibt es ein hinreichend gewichtiges Indiz dafür, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall im Sinn der Rechtsprechung des BAG vorliegt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2019, Az: 5 AZR 505/18). Dann wiederum ist es dem Arbeitnehmern nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes wegen der größeren Sachnähe zuzumuten, konkreten Sachvortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende und Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen und diese Umstände unter Beweis zu stellen.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall : Rechtsanwalt Christian Sehn:
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