Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag

das Bild zeigt einen unterschriftsreifen Aufhebungsvertrag

Aufhebungsvertrag und Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht spricht man dann von einem Aufhebungsvertrag (auch Auflösungsvertrag), wenn eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vertraglich geregelt wird. Der Aufhebungsvertrag ersetzt also eine Kündigung. Im Aufhebungsvertrag werden die Modalitäten einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert. Der Abwicklungsvertrag führt dagegen nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Regelmäßig geht dem Abwicklungsvertrag eine Kündigung voraus. Das gekündigte Arbeitsverhältnis wird also "abgewickelt". Im Abwicklungsvertrag werden die Bedingungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt. Regelmäßig verzichtet der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Klage und erhält dafür eine Abfindung.


Inhaltsverzeichnis

Was ist beim Aufhebungsvertrag zu beachten ?

- Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Parteien des Arbeitsvertrages können das Arbeitsverhältnis jederzeit für die Zukunft in gegenseitigem Einvernehmen beenden. Der Arbeitnehmer ist frei, dieses Angebot anzunehmen.

- Im Aufhebungsvertrag kann eine gegenwärtige oder zukünftige Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt werden. Wird die Frist für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber fehlerhaft berechnet, so ist der Aufhebungsvertrag nach § 242 BGB mit der zutreffend errechneten Frist aufrecht zu erhalten (umstritten). Eine rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war.

- Der Aufhebungsvertrag ist an die Schriftform gebunden. Dies folgt aus der Vorschrift des § 623 BGB. Der gesamte Vertragsinhalt des Aufhebungsvertrages muss von beiden Parteien auf einer Urkunde im Original unterzeichnet sein. Es reicht aber aus, wenn zwei Urkunden vorliegen und jede Partei die für die andere Partei bestimmt Urkunde unterzeichnet. Der Abwicklungsvertrag unterliegt nicht dieser Formvorschrift. Die Einhaltung der Schriftform ist allerdings empfehlenswert.

- Die Unterschrift muss den Vertragstext abschließen. Nachträge und Änderungen des Vertragstextes müssen erneut unterzeichnet werden. Ansonsten sind sie unwirksam.

- Im Aufhebungsvertrag sollte eine Regelung aufgenommen werden, was in dem Fall geschieht, dass der Arbeitnehmer vor dem vereinbarten Beendigungstermin verstirbt. Ob ein Abfindungsanspruch bereits entstanden und vererblich ist, richtet sich nach der getroffenen Vereinbarung im Aufhebungsvertrag.

- Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages schließt nicht aus, dass der Arbeitgeber vor dem vereinbarten Beendigungstermin noch eine außerordentliche fristlose Kündigung ausspricht. Nach der Rechtsprechung des BAG entfällt dann gem. § 313 BGB die Geschäftsgrundlage für den zuvor abgeschlossenen Aufhebungsvertrag. In diesem Fall könnte der Erfolg der Aufhebungsvertragsverhandlungen (z.B. die Abfindungszahlung) massiv gefährdet sein. In der Abwicklungsphase sollte daher auf Provokationen oder eine unnötige Kontaktaufnahme (Beispiel: Betreten des Firmengeländes nach einem ausgesprochenen und nicht zurückgenommenen Hausverbot) unbedingt verzichtet werden.

- Bedingte Aufhebungsverträge sind unzulässig. Ein Aufhebungsvertrag, wonach ein Arbeitsverhältnis automatisch endet, wenn der Arbeitnehmer in einer bestimmten Zeitspanne mehr als 10% der Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt ist oder z.B. während der Arbeitszeit wieder Alkohol konsumiert, ist unzulässig, da hierdurch der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz umgangen wird.

- Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber bei einem Aufhebungsvertrag nicht unterrichtet werden. Die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist eben keine Kündigung (§ 102 BetrVG). Behördliche Sondergenehmigungen nach dem Schwerbehindertenrecht oder dem Mutterschutzgesetz sind regelmäßig nicht einzuholen.

Welche Vorteile hat ein Aufhebungsvertrag ?

Der Aufhebungsvertrag kann sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer vorteilhaft sein. Beide ersparen sich einen langwierigen Kündigungsschutzprozess. Der Arbeitnehmer erhält meistens die gewünschte Abfindungszahlung und ein gutes Arbeitszeugnis. Der Arbeitgeber schafft durch den Aufhebungsvertrag einen Zustand frühzeitiger Planungssicherheit und verschwendet keine Ressourcen in einem Gerichtsprozess. Ferner kann er sich von einem Mitarbeiter unter Umgehung der Kündigungsfristen, der Sozialauswahl und der Betriebsratsanhörung trennen.

Welche Regelungen sollten in den Aufhebungsvertrag aufgenommen werden ?

  • Beendigungsdatum: wann endet das Arbeitsverhältnis ? Diese Frist sollte die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist nicht unterschreiten, da sie ansonsten Probleme mit der Arbeitsagentur erhalten.

  • Beendigungsgrund: aus welchem Grund endete das Arbeitsverhältnis. Auf die Begründung ist erhebliche Sorgfalt zu verwenden, da ansonsten sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen drohen.

  • Abfindung: gibt es eine Abfindung ? Wenn ja, in welcher Höhe ? Entspricht die Höhe der Abfindung den üblichen Abfindungsbeträgen, die im Unternehmen gezahlt werden ? Gibt es steuerbegünstigte Abfindungsarten ? Ist der Abfindungsanspruch schon bereits bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entstanden und vererblich ?

  • Gratifikationen: welche weiteren Leistungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Bonus, Tantieme usw.) erhält der Arbeitnehmer noch ?

  • Freistellung: wird der Arbeitnehmer freigestellt ? Wird der Resturlaub auf die Freistellung angerechnet ? Wird der Arbeitnehmer widerruflich oder unwiderruflich freigestellt ? Bei Störungen im Vertrauensverhältnis können längere Freistellungszeiträume in Betracht kommen.

  • Urlaub: was geschieht mit dem Resturlaub ? Erfolgt eine Freistellung oder wird der Urlaub abgegolten ?

  • Überstunden: was geschieht mit den Überstunden ?

  • Turboklausel: was geschieht im Falle einer vorzeitigen Beendigung des auslaufenden Arbeitsverhältnisses ?

  • Dienstfahrzeug: was geschieht mit dem Firmenwagen ? wann und wo ist dieser zurückzugeben ?

  • Diensthandy und Dienstlaptop: wann und wo sind die Arbeitsmaterialien zurückzugeben ?

  • Wettbewerbsverbot: was geschieht mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot und der vereinbarten Karenzentschädigung ?

  • Arbeitszeugnis: welche Benotung wird im Arbeitszeugnis für die erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers und sein dienstliches Verhalten vereinbart ?

  • Arbeitspapiere: welche sonstigen Dokumente (Abrechnungen, Urlaubsbescheinigungen, Arbeitsbescheinigung) erhält der Arbeitnehmer noch zum Beendigungsdatum.

  • Verschwiegenheitsklauseln: welche Auskünfte darf der ehemalige Arbeitgeber erteilen, wenn er von potentiellen neuen Arbeitgebern kontaktiert wird ?

  • Abgeltungsklausel: was geschieht mit den bekannten oder unbekannten Restforderungen ? Die Notwendigkeit einer Abgeltungsklausel wird gerne unterschätzt. Hier wird teilweise noch Jahre nach Beendigung erbittert über Forderungen gestritten und Gegenforderungen aus dem "Hut gezaubert".

  • Widerrufsrecht oder Bedenkzeit

Welche Vorteile hat ein Abwicklungsvertrag ?

Der Arbeitnehmer verzichtet in den Klauseln des Abwicklungsvertrages meistens auf seinen Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung. Er erhebt dann keine Klage gegen die ausgesprochene Kündigung und die zugesagten Leistungen des Abwicklungsvertrages werden dann ausgezahlt. Der Arbeitgeber erhält dadurch Planungssicherheit. Der Abwicklungsvertrag ist häufig in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht einfacher und unkomplizierter. Eine drohende Sperrzeit und das Ruhen des Arbeitslosengeldes wegen eines Anspruchs auf Entlassungsentschädigungen lassen sich einfacher verhindern. Der Abwicklungsvertrag hat darüber hinaus Vorteile, sofern eine Rechtsschutzversicherung beteiligt ist und diese eine Deckungsschutzzusage erteilen soll. Bei einem Aufhebungsvertrag wird die Rechtsschutzversicherung häufig argumentieren, dass kein Schadensfall vorliege, obwohl bereits eine Kündigung angedroht worden ist.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, sich von einem Aufhebungsvertrag zu lösen ?

  • Grundsätzlich kann die Willenserklärung, die einem Aufhebungsvertrag zu Grunde liegt, wie jede andere Willenserklärung auch nach den Vorschriften des § 119 BGB oder § 123 BGB angefochten werden. Ein wirksam angefochtener Aufhebungsvertrag führt zu einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses. Welche Anfechtungsgründe kommen in Frage ?

  • Irrtum (schwierig, wenn nur ein Rechtsfolgenirrtum vorliegt)

  • Drohung (Drohung mit der Einleitung eines Strafverfahrens, Androhung von Schadensersatzforderungen)

  • Täuschung durch Vorspiegeln falscher Tatsachen in Form einer bewussten Irreführung des Arbeitnehmers (Beispiel: unzutreffende Behauptung, dass der Betrieb geschlossen wird)

  • Zu beachten sind die Anfechtungsfristen gem. § 124 BGB

  • Die Beweislast im Anfechtungsprozess liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Den Arbeitgeber als Anfechtungsgegner trifft eine sekundäre Darlegungslast

  • Rücktritt (diese fristgebundene Möglichkeit besteht in einigen Tarifverträgen und kann auch vertraglich vereinbart werden).

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Wird das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet, kann dies zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosgeld nach dem SGB III führen. Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach festgestellt, dass ein wichtiger Grund, der eine Sperrzeit nach § 159 SGB III ausschließt immer dann vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer bei einer drohenden betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung annimmt, welche sich im Rahmen des § 1a KSChG bewegt. Dies gilt aber nur dann, wenn nicht - wegen offenkundiger Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Kündigung - eine Gesetzesumgehung anzunehmen ist.

Abfindungen sind kein beitragspflichtiges Einkommen nach § 14 SGB IV. Eine Ausnahme gilt für freiwillig Krankenversicherte. Die gesetzlichen Krankenkasse versuchen häufig, Abfindungszahlungen als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt zu behandeln. Dies wäre nur zulässig, wenn in der Abfindungszahlung verdecktes Arbeitsentgelt enthalten wäre. Einer solchen Vorgehensweise der gesetzlichen Krankenkassen ist mit Widerspruch und Klage zu begegnen (SGB V).

Steuerrechtliche Folgen

Abfindungszahlungen sind außerordentliche Einkünfte nach § § 34, 24 Nr.1EStG und damit voll einkommenssteuerpflichtig. Seit dem 01.01.2006 gibt es auch keine steuerlichen Freibeträge mehr auf die Abfindung. Einkommensteuersätze sind progressiv - mit steigenden Einkünften erhöht sich damit auch der Steuersatz. Erhält der Arbeitnehmer am Ende eines langjährigen Arbeitsverhältnisses eine hohe Abfindung ausgezahlt, dann kann der Steuersatz durch die Abfindung sehr hoch sein. Diese hohe Steuerbelastung kann durch die Fünftelregelung abgemildert werden. Es gibt seit 2018 eine Möglichkeit, Abfindungen steuerfrei in eine betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Steuerfrei bleibt ein Betrag von maximal 31.200 Euro.

Aufhebungsvertrag und Rechtsschutzversicherung

Ob eine Rechtsschutzversicherung die Kosten der anwaltlichen Beratung oder anwaltlichen Vertretung teilweise oder vollständig übernimmt, hängt davon ab, ob und wann die Rechtsschutzversicherung von einem eintrittspflichtigen Schadensfall ausgeht. Bei einer ausgesprochenen Kündigung mit anschließendem Abwicklungsvertrag wird sie kaum eine Deckungsschutzzusage verweigern können. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung sind dann bis auf eine vereinbarte Selbstbeteiligung (meistens 150 - 250 Euro) abgedeckt. Die Situation bei einem Aufhebungsvertrag unterscheidet sich davon grundlegend. In aller Regel wird die Rechtsschutzversicherung mangels Kündigung einen Schadensfall verneinen. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitgeber vor Abschluss des Aufhebungsvertrages schon eine Kündigung angedroht hatte oder auf wessen Veranlassung der Aufhebungsvertrag angeboten wurde. Die meisten Rechtsschutzversicherungen haben auf die entstandenen Rechtsstreitigkeiten in den Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen (kurz ARB) reagiert. Allgemeine Rechtsschutzversicherungsbedingungen sind Versicherungsvertragsbedingungen, die einem Rechtsschutzversicherungsvertrag zugrunde liegen. Diese werden zum Beispiel in den ARB 2023 wie folgt formuliert:

"Aufhebungsvertrags-Rechtsschutz als Arbeitnehmer: Wir übernehmen im Falle eines schriftlichen Angebots Ihres Arbeitgebers zur Aufhebung Ihres Arbeitsvertrages (Aufhebungsvereinbarung) ohne Rechtsschutzfall im Sinne des §4 Abs. 1c) bis zu 1.000,– EUR Rechtsanwaltskosten. In diesem Fall gilt die arbeitgeberseitige Vorlage des Aufhebungsvertragsangebotes als Rechtsschutzfall. Eine vereinbarte Selbstbeteiligung wird in Abzug gebracht."

Die Anwaltskosten nach dem RVG bestimmen sich nach dem Gegenstandswert und liegen regelmäßig über diesem Kulanzbetrag von 1.000 Euro abzüglich der Selbstbeteiligung. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich, frühzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren, der auf die Verfahrensgestaltung Einfluss nehmen kann.

Warum ist die Einschaltung eines Anwalts empfehlenswert ?

  • Der Aufhebungsvertrag oder Abwicklungsvertrag wird regelmäßig entweder von der Personalabteilung des Arbeitgebers oder einem externen Anwalt erstellt. Beide vertreten vorrangig die Interessen des Arbeitgebers und nicht etwa die Interessen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich selbst vor Abschluss des Aufhebungsvertrages über die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses informieren. Er kann vom Arbeitgeber keine objektive Beratung erwarten. Der Arbeitnehmer wird selten selbst über arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Kenntnisse verfügen. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sorgt für eine Verhandlungsparität.

  • Häufig werden in Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen regelungsbedürftige Inhalte übersehen. Nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages noch ein gutes Arbeitszeugnis auszuhandeln, dürfte deutlich schwieriger sein als vor Unterzeichnung. Der Anwalt wird sich um die Vollständigkeit der reglungsbedürftigen Inhalte kümmern. Allerdings ist dafür Voraussetzung, dass dem Anwalt hierfür die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Ergibt sich z.B. ein Bonusanspruch nicht aus dem Arbeitsvertrag sondern aus einer Betriebsvereinbarung, dann muss der Anwalt hierüber informiert werden. Dies erfordert eine enge Kooperation zwischen Mandant und Anwalt.

  • Die sozialversicherungsrechtlichen Risiken eines Aufhebungsvertrages oder Abwicklungsvertrages sind erheblich. Die Agentur für Arbeit hat die Möglichkeit, eine Sperrzeit gegen den Arbeitnehmer wegen des versicherungswidrigen Verhaltens zu verhängen. Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten - ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben - so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit. Die Sperrzeit beträgt bei Arbeitsaufgabe regelmäßig zwölf Wochen. Die Sperrzeit verkürzt ferner die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Allerdings darf die Agentur für Arbeit den Bezug von Arbeitslosengeld nicht sperren, wenn der Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer rechtmäßigen Kündigung und unter Einhaltung der regulären Kündigungsfristen abgeschlossen wurde. Die richtige rechtliche Strategie hilft, sozialversicherungsrechtliche Risiken zu minimieren.

  • Nicht selten kommt ein Aufhebungsvertrag nach einem Verstoß gegen das "Gebot des fairen Verfahrens" zustande. Diese Gebot wird verletzt, wenn der Arbeitgeber während der Verhandlungen eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erschwert (Urteil des BAG vom 07.02.2019). In diesem Zusammenhang verbinden Personalabteilungen gerne die Anhörung zu einem angeblichen oder tatsächlichen Fehlverhalten des Arbeitnehmers mit der Vorlage eines Aufhebungsvertrages (Überrumpelungssituation). Dem Arbeitnehmer wird in Aussicht gestellt, dass auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verzichtet wird, wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin den Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Der Aufhebungsvertrag ist in den allermeisten Fällen arbeitsrechtlich unvorteilhaft und sozialversicherungsrechtlich eine Katastrophe. Die Unterzeichnung sollte verweigert werden. Darauf folgende Drohungen sollten ignoriert werden. Es sollte unverzüglich ein Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht kontaktiert werden. Ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt zu einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Wann ist die Beauftragung eines Anwaltes sinnvoll ?

Die Einschaltung eines Fachanwaltes für Arbeitsrecht sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Sobald der Arbeitgeber erstmalig von einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses spricht, sollte ein Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt "Arbeitsrecht" und möglichst auch "Sozialrecht/Sozialversicherungsrecht" (Probleme mit der Arbeitsagentur) sowie "Versicherungsrecht" (Rechtschutzversicherung erteilt nicht die gewünschte Deckungsschutzzusage) eingeschaltet werden. Der Anwalt kann dann frühzeitig auf Abwicklungsprozess Einfluss nehmen und eventuell - sofern alle Beteiligten mitwirken - das bestmöglichste Ergebnis für den Mandanten erreichen.

Rechtsprechung zum Thema Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag

  • BAG, Urteil vom 24.02.2022: Anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im Einzelfall ist zu entscheiden, ob ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das "Gebot fairen Verhandelns" zustande gekommen ist. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache, stelle für sich genommen keine Pflichtverletzung gem. § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führe, dass der Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit habe noch einen Rechtsrat einholen könne. Quelle: BAG PM Nr. 8/22 v. 24.2.2022

  • AG München Urteil vom 04.09.2019: Die Rechtsschutzversicherung muss Deckungsschutz für die Beauftragung eines Anwaltes erteilen, wenn der Versicherungsnehmer konkret vorträgt, dass er durch ungerechtfertigte, benachteiligende Maßnahmen des Arbeitgebers dazu gedrängt werden soll, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen (ARB 75 !)

  • BAG, Urteil vom 21.3.2018: Es stellt keine unzulässige Begünstigung (§ 78 Satz 2 BetrVG) eines Betriebsratsmitgliedes dar, wenn der Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag besonders attraktive finanzielle oder sonstige Konditionen anbietet, die einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsmandat nicht zugestanden worden wären. Die Begünstigung beruht regelmäßig auf dem besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitgliedes nach § 15 I KSchG und § 103 BetrVG. Dieser besondere Kündigungsschutz verbessert die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers.

  • BAG Urteil vom 24.02.2016: Ein beiderseitiger Forderungsverzicht in einem Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Forderungsverzicht ist wirksam, wenn der Arbeitgeber die Situation des Arbeitnehmers nicht treuwidrig zur Durchsetzung eigener Interessen ausgenutzt hat.

Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Kanzlei Lampertheim, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121 - Der Inhalt dieser Seiten kann keine Beratung durch einen Anwalt ersetzen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.

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