Homeoffice | Back-to-Office und Workation
Der Begriff "Homeoffice" ist gesetzlich nicht definiert. Unter Homeoffice versteht man mobiles Arbeiten im häuslichen Umfeld des Mitarbeiters oder an anderen Orten. Besondere Beachtung findet das Arbeiten im Homeoffice insbesondere im Sozialversicherungsrecht. Es gibt dort eine Vielzahl von neuen Entscheidungen zum Homeoffice und gesetzlichem Unfallversicherungsrecht (SGB VII). Der Begriff "Workation" ist eine Wortkombination aus den englischen Worten für Arbeit (work) und Urlaub (vacation) und bezeichnet die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Mitarbeiter im Urlaub meistens in einem anderen Land in oder außerhalb der Europäischen Union. Im Bereich Workation sind eine Vielzahl arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen zu beachten.
Inhaltsverzeichnis
Definition von Homeoffice
Homeoffice ist von Telearbeit, mobilem Arbeiten und Heimarbeit zu unterscheiden. Arbeiten im Homeoffice erfolgt regelmäßig in zwei Modellen:
- Der Arbeitnehmer arbeitet vollständig zu Hause. Er hat dann keinen Arbeitsplatz mehr im Betrieb des Arbeitgebers oder
- Der Arbeitnehmer arbeitet abwechselnd zu Hause und im Betrieb. Dann hat er zwei Arbeitsplätze.
Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice oder Mobileoffice - es sei denn, dieser Anspruch wäre durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag festgestellt oder arbeitsvertraglich vereinbart. Wenn Homeoffice vom Arbeitgeber gewährt wird, dann macht dieser regelmäßig von seinem Direktionsrecht nach § 106 GewO Gebrauch. Das Homeoffice wurde während der Corona-Pandemie schon als „nachhaltige Transformation des Arbeitsmarktes“ angesehen. Der Arbeitgeber erspart sich Aufwendungen für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes (Miete) und der Arbeitnehmer spart sich Zeit und Aufwand für die Anfahrt zum Arbeitsplatz. Eigentlich eine klassische win-win-Situation. Nach Beendigung der Corona-Pandemie überwiegt allerdings wieder das "Kontrollbedürfnis" des Arbeitgebers. Ein Trend zum Back-to-Office ist deutlich erkennbar (SAP, Deutsche Bank, Volkswagen).
Gründe für ein Back-to-Office
Als Gründe für den Trend zum Arbeitsplatz im Office werden folgende Argumente genannt:
- Fehlende oder reduzierte Identifikation mit dem Team und dem Unternehmen des Arbeitgebers
- Verschlechterung der Zusammenarbeit
- Produktivitätseinbußen beim einzelnen Mitarbeiter
- Befürchteter Kontrollverlust (Stichwort "Jiggler" - Software, die Bewegungen des Mauszeigers des Computers steuert, um eine Aktivität des Computernutzers vorzutäuschen. Der Arbeitnehmer wird als beschäftigt und verfügbar dargestellt, ob wohl er sich in Wirklichkeit gar nicht vor dem Dienstlaptop befindet und arbeitet)
Beendigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Es gibt einige Möglichkeiten, die Gewährung von Homeoffice rückgängig zu machen:
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschließen dies einvernehmlich durch Änderungsvertrag.
- Einseitige Ausübung des Weisungsrechtes/Direktionsrechtes durch den Arbeitgeber. Die Vorgaben der Regelung, welche das Homeoffice ursprünglich gewährt hatte, müssen eingehalten werden. Ausübung des Weisungsrechts muss nach "billigem Ermessen" erfolgen. Billiges Ermessen bedeutet, dass die unterschiedlichen Interessen des Arbeitgebers (Unternehmerentscheidung etc.) und des Arbeitnehmers (Fahrzeiten, familiäre Verpflichtungen usw.) gegeneinander abgewogen werden.
- Änderungskündigung, die Grenzen des Kündigungsschutzgesetzes sind zu beachten (personenbedingter, verhaltensbedingter oder betriebsbedingter Kündigungsgrund muss vorliegen; Kündigung muss verhältnismäßig sein)
Selbstverständlich muss der Arbeitgeber auch in diesem Zusammenhang die Beteiligungsrechte des Betriebsrates berücksichtigen.
Workation - der Traum jedes Arbeitnehmers
Noch einmal zur Erinnerung die Definition von Workation. Unter Work und Vacation versteht man die Verbindung von Arbeit und Urlaub meistens in einem befristeten Arbeitsverhältnis in einem Homeoffice, welches sich im europäischen Ausland oder im außereuropäischen Ausland befindet. Entspannt am Strand sitzen, im Winter bei vier Grad unter null die Sonne genießen, dem Rauschen der Wellen zuhören und zeitgleich oder zeitversetzt seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen. Wer jetzt denkt, dies sei eine Utopie, der verkennt die Realität in vielen deutschen Unternehmen. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung häufen sich die Anfragen von Arbeitnehmern in den Personalabteilungen großer Unternehmen. Aufgrund des offensichtlichen Fachkräftemangels steigt auch die Bereitschaft der Personalabteilungen, diese Sonderwünsche des hochqualifizierten Arbeitnehmers (generisches Maskulinum) zu erfüllen. Selbstverständlich muss die Tätigkeit des Arbeitnehmers für "remote work" geeignet sein. Remote work bedeutet, dass die berufliche Tätigkeit von überall auf der Welt erledigt werden kann - die Arbeit ist also nicht an die Anwesenheit in einem Büro gebunden. Welche arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Probleme müssen zusätzlich zu den aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen der Destinationsländer (z.B. Visabestimmungen für Langzeitaufenthalte) beachtet werden?
Workation und Arbeitsrecht
- Es gibt keinen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Anspruch auf Workation. Der Arbeitgeber bestimmt aufgrund seines Direktionsrechtes den Arbeitsort. Auch eine Vertragsklausel im Arbeitsvertrag, welche eine Arbeit im Homeoffice erlaubt, gewährt keinen Anspruch auf Workation (die nicht abgesprochene Arbeit aus einem Homeoffice im Ausland kann als eigenmächtige Urlaubnahme gewertet werden und eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen). Alleine die Verhandlungsmacht des qualifizierten Arbeitnehmers im Verlauf der Vertragsverhandlungen eröffnet diesen Traum von der beruflichen und privaten Lebensplanung.
- Gelegentlich wird vertreten, dass ein Anspruch auf Workation sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben soll. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber einem anderen Mitarbeiter schon die Arbeit aus dem Homeoffice im Ausland gestattet hat und sich kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung beider Arbeitnehmer findet. Ein solcher Anspruch dürfte nach meiner Einschätzung kaum durchsetzbar sein.
- Problem: Welche Rechtsordnung gilt im Arbeitsrecht während einer Workation innerhalb der Europäischen Union (z.B. Griechenland) ? Gilt deutsches oder griechisches Arbeitsrecht ? Die Parteien des Arbeitsvertrages sollten sich schon im Arbeitsvertrag auf die Anwendung des deutschen Rechts verständigen (Rechtswahl). Ansonsten greift die Rom I-Verordnung (Verordnung EG Nr. 593/2008), welche auf den gewöhnlichen Arbeitsort zurückgreift. Gewöhnlicher Arbeitsort wäre nach der Definition des EuGH der Ort, an welchem der Mitarbeiter mehr als die Hälfte seiner Zeit tätig ist. Zu beachten ist aber, dass für das Arbeitsschutzrecht das Territorialprinzip gilt. Deutsches Arbeitsschutzrecht gilt aber nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland.
- Problem: Welche Rechtsordnung gilt im Arbeitsrecht während einer Workation außerhalb von Europa (z.B. Thailand; Thailand scheint bei remote worker sehr beliebt zu sein - gute Infrastruktur, schnelles Internet, schöne Strände, billiger Co-Working-Space). Gilt deutsches oder thailändisches Arbeitsrecht ? Die Rom I-Verordnung (Verordnung EG Nr. 593/2008) findet außerhalb von Europa keine Anwendung. Das anwendbare Recht bestimmt sich nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts (IPR) und damit nach dem Recht des Staates, in welchem der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung erbringt. Die Parteien des Arbeitsvertrages sollten sich auch in diesem Fall unbedingt im Arbeitsvertrag oder im Zusatzvertrag auf die Anwendung des deutschen Rechts verständigen (Rechtswahl).
Workation und Steuerrecht
Der nächste Problemkreis ist die steuerliche Behandlung einer Workation. Welches Steuerrecht gilt bei einem Aufenthalt innerhalb Europas und außerhalb Europas ?
- Ist der Arbeitgeber weiterhin zum Lohnsteuerabzug nach dem EStG verpflichtet ?
- Höhe des Lohnsteuerabzugs - normalerweise gilt das Territorialprinzip
- Gibt es Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ? Deutschland hat mit allen Staaten der EU, des EWR und mit der Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Die Schweiz ist weder Mitglied der EU noch des EWR. Sie ist aber durch bilaterale Verträge mit der EU verbunden. Schweizer Staatsangehörige sind daher EU-Bürgern in vielen Bereichen gleichgestellt.
- Arbeitnehmer, die längere Zeit oder dauerhaft im Ausland bleiben wollen, müssen sich mit den Problemen einer Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG befassen. Ferner müssen diese Arbeitnehmer sich z.B. bei Dividendeneinkünften oder der Realisierung von Gewinnen aus Aktienverkäufen mit dem Steuerrecht im Gastgeberland vertraut machen. Thailand erhebt - nach den mir vorliegenden Informationen - in bestimmten Konstellationen keine Steuern auf Dividenden und Aktiengewinne, sofern diese im Ausland erzielt wurden. Für weitergehende Informationen muss ein Steuerberater vor Ort konsultiert werden.
Workation und Sozialversicherungsrecht
Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen. Auch im Sozialversicherungsrecht gilt das Territorialprinzip. Das ausländische Sozialrecht findet also Anwendung. Zunächst könnte man annehmen, dass keine Entsendung (Ausstrahlung/Einstrahlung nach SGB IV) vorliegt, da der Arbeitnehmer sich nicht auf Weisung des Arbeitgebers im Ausland aufhält, um dort seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Er hält sich vielmehr auf eigenen Wunsch im Ausland auf. Allerdings hat die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in einer Leitlinie zur Telearbeit vom 21.06.2023 darauf hingewiesen, dass die Workation im EU-Ausland als Entsendung zu sehen ist. Dies bedeutet, der Mitarbeiter bleibt somit auch während der Workation sozialversichert. Im außereuropäischen Ausland ist die Rechtslage noch komplexer.
Workation und privates Versicherungsrecht
An welche Versicherungen ist dabei zu denken ?
- private Zahnzusatzversicherung für gesetzlich versicherte
- private Haftpflichtversicherung
- Auslandskrankenversicherung
- Kfz-Haftpflichtversicherung (Bewahrung des Schadensfreiheitsrabattes)
In diesem Zusammenhang empfiehl sich unbedingt ein Blick in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungsverträge. Bei längeren Auslandsaufenthalten und der Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland ist die private Versicherung häufig nicht mehr eintritts- und leistungsverpflichtet.
Mein persönliches Fazit
Es ist gleichgültig, ob der Auslandsaufenthalt als Workation oder Sabbatical geplant ist - es müssen eine Vielzahl an rechtlichen Problemen gelöst werden, bevor man in den Flieger steigen kann. Es reicht sicherlich nicht aus, nur ein paar bestehende Verträge zu kündigen und nach der Rückkehr zu reaktivieren. In diesem Zusammenhang ist bei der gesetzlichen Krankenversicherung unbedingt an eine Anwartschaftsversicherung zu denken. Ferner ist bei privaten Zusatzversicherungen daran zu denken, dass Altersrückstellungen durch die Kündigung verloren gehen können. Außerdem muss immer damit gerechnet werden, dass unvorhergesehene Probleme entstehen können. Es ist daher sicherlich sinnvoll, wenn man diesbezüglich auf Freunde oder Familie zurückgreifen kann, die vor Ort das Problem (z.B. jährliche Ablesung der Heizung) lösen können, ohne dass man sofort ein Rückflugticket buchen muss. Nicht außer Acht lassen darf man ferner, dass remote work sich im visarechtlichen Bereich in einer Grauzone bewegt und im Gastland häufig nur geduldet wird. Ausländer sind regelmäßig ohne Arbeitserlaubnis nicht berechtigt, eine Tätigkeit im Gastland auszuüben. Sind diese rechtlichen Probleme allerdings gelöst, dann ist diese Auszeit mit Sicherheit das Highlight im (Arbeits-)Leben.
Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht
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