Einführung in das Thema Sperrzeit

Das Bild zeigt einen Mandanten, der vor blauem Himmel über die Hürde "Sperrzeit" und "Ruhenstatbestand" springt

Sperrzeit und Ruhenstatbestand

Die Sperrzeit war bisher in § 144 SGB III geregelt. Nach der Instrumentenreform vom 01.04.2012 findet sich die Sperrzeit in § 159 SGB III wieder. Die Sperrzeit grenzt das Versicherungsrisiko der Solidargemeinschaft der Beitragszahler von dem Risiko des Arbeitslosen für sein eigenes Verhalten ab. Wer etwa die Arbeitslosigkeit schuldhaft herbeiführt oder sich auf andere Weise versicherungswidrig verhält, verliert für einen bestimmten Zeitraum den Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten vorweisen kann. Die größte Bedeutung in der Praxis hat sicherlich die Sperrzeit, die bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund Eigenkündigung oder arbeitsvertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers eintritt.

Inhaltsverzeichnis Sperrzeit und Ruhenstatbestand

Arten von Sperrzeiten

  • Der Gesetzgeber hat sieben Tatbestände normiert, bei deren Erfüllung das Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung mit unterschiedlicher Dauer gesperrt wird. Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wird in folgenden Fällen verhängt:

  • Der Arbeitnehmer hat schuldhaft das Arbeitsverhältnis beendet - z.B. verhaltensbedingte Kündigung, Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag ohne wichtigen Grund. Die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beträgt regelmäßig 12 Wochen. Sofern die Umstände, die den Eintritt der Sperrzeit begründen, für den Arbeitslosen eine Härte (Härtefall) bedeuten, beträgt die Sperrzeitdauer nur 6 Wochen - diese Art der Sperrzeit hat ein hohe praktische Relevanz - diese Sperrzeit wird leider auch häufig zu Unrecht verhängt.

  • Der Arbeitslose nimmt ein Stellenangebot nicht an - z.B. kein Erscheinen zum Vorstellungsgespräch.

  • Der Arbeitslose hat unzureichende Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit gezeigt.

  • Der Arbeitslose weigert sich, an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme (z.B. Trainingsmaßnahme) teilzunehmen.

  • Der Arbeitslose bricht eine Eingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund ab.

  • Der Arbeitslose kommt einer Meldeaufforderung trotz Belehrung über die Folgen nicht nach.

  • Der Arbeitslose hat sich zu spät arbeitssuchend gemeldet. Prinzipiell gilt, dass Sie sich drei Monate vor dem Beendigungszeitpunkt ihres Arbeitsverhältnisses oder Ausbildungsverhältnisses bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitssuchend melden müssen. Ist der Zeitraum zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Ausbildungsverhältnisses kürzer als drei Monate, dann müssen Sie sich innerhalb von drei Werktagen bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden. Ist die Arbeitsagentur nicht aufnahmebereit (Feiertag, Wochenende, Interne Gründe), dann verlängert sich diese Frist. Im Krankheitsfall verlängert sich die Frist bis zum Genesungszeitpunkt. Für die Arbeitssuchendmeldung ist es vollkommen unerheblich, ob die Kündigung aus Ihrer Sicht rechtswidrig ist oder nicht. Die Dauer der Sperrzeit beträgt eine Woche. Die Sperrzeit war regelmäßig leicht zu kippen mit dem Hinweis, dass dem Arbeitnehmer die Verpflichtung zur zeitigen Arbeitssuchendmeldung unbekannt war. Der Arbeitgeber ist deshalb gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB III ebenfalls verpflichtet, im Kündigungsschreiben auf die rechtzeitige Arbeitssuchendmeldung hinzuweisen. Die Vorschrift ist allerdings als Soll-Vorschrift ausgestaltet und löst keine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers aus, wenn dieser Hinweis in der Kündigung vergessen wurde. Ferner ist der Hinweis der Arbeitgeber in einer Vielzahl von Fällen schlicht fehlerhaft. Meistens wird die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur zeitnahen Arbeitssuchendmeldung unzutreffend verkürzt. Die Arbeitsagenturen gehen daher in Verfahren wegen dieser Sperrzeit dazu über, auf ein Merkblatt zu verweisen, welches dem Arbeitssuchenden in Fällen früherer Arbeitslosigkeit ausgehändigt wurde. Diese rechtliche Argumentation ist einfach zu widerlegen. Es bedarf hier eines gewissen Argumentationsaufwands. Hohe praktische Relevanz - diese Sperrzeit wird häufig zu Unrecht verhängt.

Sperrzeit und wichtiger Grund

  • Das Vorliegen eines Sperrzeittatbestandes führt nicht zwangsläufig zur Sperrzeit. Eine Sperrzeit tritt nur dann ein, wenn der Arbeitslose für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hatte. Die Arbeitsverwaltung orientiert sich bei Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "wichtiger Grund" an der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Ein wichtiger Grund liegt demnach vor, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und in Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte. Einige wenige Beispiele von vielen:

  • Die Arbeitsaufgabe ist medizinisch aus gesundheitlichen Gründen indiziert (Mobbing, Burn Out, sonstige Erkrankung)

  • Die Arbeitsaufgabe ist erforderlich, um die Betreuung eines Kindes oder die Pflege eines Angehörigen sicherzustellen

  • Die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, um eine Familienzusammenführung zu ermöglichen

  • Die Situation am Wohnungsmarkt (Großstädte, Ballungszentren) erfordert einen Umzug in das günstigere Umland

  • Der Arbeitslose hat eine neue Arbeitsstelle gefunden und deshalb die alte Arbeitsstelle gekündigt. Die neue Arbeitsstelle wird bereits in der Probezeit gekündigt

  • Der Arbeitslose tauscht ein unbefristetes gegen ein befristetes Arbeitsverhältnis, weil dieses z.B besser bezahlt oder karriereförderlich ist

  • Der Arbeitslose trägt die Beweislast dafür, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Wie bei den meisten Sperrzeiten kommt es auf die Qualität der Argumentation an.

  • Tipp: vor einer beabsichtigen Eigenkündigung und vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollte ein Fachanwalt oder Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht und Sozialrecht konsultiert werden.

Folgen der Sperrzeit

  • Der Einritt einer Sperrzeit zieht das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach sich. Der Zahlungsbeginn des Arbeitslosengeldes verzögert sich um die Dauer der Sperrzeit. Der Bezugszeitraum des Arbeitslosengeldes mindert sich zudem gem. § 148 SGB III. Im Falle einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe wird der Gesamtanspruch regelmäßig um ein Viertel gemindert.

  • Häufig werden bei Sperrzeiten von Krankenkassen falsche Auskünfte erteilt. Während der Sperrzeit müssen Sie sich nicht vollständig freiwillig krankenversichern. Hier greift der sog. Nachversicherungsschutz der Krankenversicherung und die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ab Beginn des zweiten Monats der Sperrzeit. Die Beiträge werden demnach weiter von der Arbeitsagentur getragen.

  • Während der Sperrzeit besteht allerdings kein Krankengeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit. Es werden im Falle einer Sperrzeit auch keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Sie entrichtet.

Ruhenstatbestand gem. § 157 und § 158 SGB III

  • Der Anspruch des Arbeitslosen auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, für die er noch Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat.

  • Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht ferner, sofern der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung beanspruchen kann. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht sodann für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs.

  • Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Abschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre etc.

Was kann ein Anwalt erreichen ?

Der Arbeitslose, der sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat oder dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, steht häufig schon unter Generalverdacht der Arbeitsagentur. Erhält er zusätzlich noch ein Abfindung, dann wird regelmäßig reflexhaft eine Sperrzeit ausgesprochen. Die Begründung des Arbeitslosen ist dann kaum noch von Interesse. Häufig lässt sich die Sperrzeit vermeiden oder zumindest eine Reduzierung der Sperrzeit erreichen. Gegen jeden Sperrzeitbescheid können Sie sich zunächst mit Widerspruch und dann auch mit einer Klage zum Sozialgericht zur Wehr setzen. Richtiger Ansprechpartner ist in einem solchen Fall der Fachanwalt für Sozialrecht.

Rechtsprechung

  • Urteil des BSG vom 03.05.2018, Az: B 11 AL 2/17 R: Werden dem Arbeitslosen innerhalb weniger Tage drei Arbeitsangebote unterbreitet und bewirbt er sich auf keine dieser drei Stellen, dann darf nur eine und nicht drei Sperrzeiten von der Arbeitsagentur als Sanktion verhängt werden. Begründung: Es liegt ein einheitliches versicherungswidriges Verhalten des Arbeitslosen vor, welches auch nur einmal sanktioniert werden dürfe.

Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Kanzlei Lampertheim, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121 Sperrzeit, Ruhenstatbestand- Bearbeitungsstand 20.05. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.

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