Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe

Das Bild zeigt den Vorplatz und den Eingang eines Gerichtes mit Säulen

Beratungs- und Prozesskostenhilfe

Unter Beratungshilfe (BerH) und Prozesskostenhilfe (PKH) versteht man eine finanzielle Unterstützung von Bürgern durch die Staatskasse. Rechtsgrundlage ist das Beratungshilfegesetz (BerHG) und die Zivilprozessordnung (ZPO).

Beratungshilfe durch Beratungshilfeschein wird Rechtsuchenden gewährt, sofern diese die Kosten einer vorgerichtlichen Rechtsvertretung nicht selbst aufbringen können und zur Durchsetzung ihrer Ansprüche eine außergerichtliche Korrespondenz mit einer anderen Zivilperson (Forderungsschreiben an den Arbeitgeber) oder einer Behörde (Widerspruch, Überprüfungsantrag) führen müssen.

Prozesskostenhilfe wird Rechtsuchenden gewährt, welche eine Klage gegen eine andere Zivilperson führen wollen oder eine solche Klage abwehren müssen. Prozesskostenhilfe wird ferner Rechtsuchenden gewährt, welche nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eine Klage, z.B. vor dem Sozialgericht, führen müssen.

Inhaltsverzeichnis

Wer bewilligt Beratungshilfe

Nachfolgend finden Sie die Adressen der Amtsgerichte in der näheren Umgebung, die Beratungshilfescheine ausstellen:

- Amtsgericht Heidelberg, Kurfürstenanlage 21, 69115 Heidelberg
- Amtsgericht Lampertheim, Bürstädter Straße 1, 68623 Lampertheim
- Amtsgericht Ludwigshafen, Wittelsbachstr. 10, 67061 Ludwigshafen
- Amtsgericht Mannheim, Schloß, Westflügel, 68159 Mannheim
- Amtsgericht Schwetzingen, Zeyherstr. 6, 68723 Schwetizngen
- Amtsgericht Speyer, Wormser Straße 41, 67346 Speyer
- Amtsgericht Weinheim, Ehretstr. 11, 69469 Weinheim

Wichtig: Die Beratungshilfestelle des zuständigen Amtsgerichtes darf Sie mit Ihren Fragen nicht wieder an die Behörde, gegen deren Bescheid Sie vorgehen wollen, zurückverweisen. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.05.2009, (Aktenzeichen: 1 BvR 1517/08) ist eine derartige Vorgehensweise unzulässig. Ferner darf Beratungshilfe nicht mit der Begründung verweigert werden, dass die antragstellende Person den Widerspruch doch selbst einlegen könnte. Die Erfolgsaussichten eines Widerspruches hängen wesentlich von dessen sorgfältiger rechtlicher Begründung ab. Eine solche juristische Begründung kann regelmäßig nicht durch den rechtlichen Laien, sondern nur durch den sozialrechtlich versierten Anwalt erfolgen; Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 07.10.2015, (Az: 1 BvR 1962/11).

Wer stellt den Antrag: Der Antrag wird von der Person gestellt, welche Beratungshilfe beantragen will. Eine anwaltliche Vertretung ist bei der Antragstellung nicht vorgesehen und nicht möglich.

Prozesskostenhilfe:
Die Prozesskostenhilfe wird vom zuständigen Gericht (Arbeitsgericht, Sozialgericht, Zivilgericht und Verwaltungsgericht) auf Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Für Strafprozesse gelten Sondervorschriften. Hier besteht in schweren Fällen (d.h. die Straferwartung beträgt ein Jahr und mehr) ggfls. ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird in der Regel von Ihrem prozessbevollmächtigten Anwalt gestellt.

Was ist Prozesskostenhilfe ?

Unter Prozesskostenhilfe (PKH) versteht man eine finanzielle Unterstützung der Bürger durch die Staatskasse. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Rechtsuchende die finanziellen Mittel zur Führung eines gerechtfertigten Prozesses aufbringen kann und nicht schutzlos gestellt bleibt, weil er sich die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten eines Prozesses nicht leisten kann. Die Prozesskostenhilfe ist in der ZPO geregelt. Prozesskostenhilfe erhält nur die Person, welche über keine eintrittsbereite Rechtschutzversicherung verfügt. Ferner muss Sie nach den Vorschiften der ZPO zur Prozesskostenhilfe bedürftig sein. Wichtig: Die Prozesskostenhilfe trägt immer nur die Kosten Ihres eigenen Anwaltes. Sie trägt niemals die Kosten des gegnerischen Anwaltes.

Voraussetzung der Prozesskostenhilfe

Prozesskostenhilfe wird einer Partei auf Antrag bewilligt, wenn sie:
1. Aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Sie müssen also bei Gericht zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen Stellung nehmen. Hierzu sind die letzten monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen oder der Arbeitslosengeldbescheid, der Mietvertrag, Nebenkostenabrechnungen, aktuelle Kontoauszüge und sonstige Belege für monatliche Einnahmen und Ausgaben in Kopie vorzulegen und
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Gericht überprüft also schon vorab summarisch die Chancen im Rechtsstreit.

Ergebnis der Überprüfung des PKH-Antrages

Wenn die Überprüfung des Gerichtes ergibt, dass die beiden letztgenannten Punkte erfüllt sind, wird Prozesskostenhilfe gewährt. Dies bedeutet, die Staatskasse trägt dann zunächst auf jeden Fall - egal ob Sie im Prozess obsiegen oder unterliegen - die Gerichtskosten und die Gebühren Ihres eigenen Rechtsanwaltes. Der Prozesskostenhilfeantrag wird in der Regel mit dem Klageantrag oder der Klageerwiderung eingereicht.

Bitte beachten Sie: Nicht von der Prozesskostenhilfe umfasst werden aber die Gebühren des gegnerischen Rechtsanwaltes. Unterliegen Sie in einem Gerichtsprozess trägt die Staatskasse zwar die Gerichtskosten und die Gebühren Ihres eigenen Prozessbevollmächtigten, nicht jedoch die Kosten des gegnerischen Rechtsanwaltes. Dieses Risiko verbleibt also trotz PKH-Bewilligung bei Ihnen. Dies gilt nicht in den Arbeitsgerichtsprozessen der ersten Instanz sowie den Finanz-, Verwaltungsgerichts- und Sozialgerichtsprozessen. Im Arbeitsrecht tragen Sie und auch ihr Gegner in der ersten Instanz immer - unabhängig vom Obsiegen oder Unterliegen - die eigenen Anwaltskosten. In den Finanz-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsprozessen werden die Behörden durch Verwaltungsangestellte und nicht durch Rechtsanwälte vertreten. Im Falle des Unterliegens werden Sie daher nicht mit Kosten des gegnerischen Prozessbevollmächtigten belastet.

PKH-Überprüfungsverfahren

In aller Regel werden die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsstellers jedes Jahr in einem Zeitraum von vier Jahre nach Ausgang des Rechtstreites vom Gericht überprüft. Der Antragsteller wird also einmal im Jahr aufgefordert, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzuweisen. Abhängig vom Ausgang dieser Überprüfung bestimmt das Gericht sodann, ob die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufrechterhalten wird oder nicht. Sofern sich also Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse in diesem Zeitraum deutlich verbessert haben, z.B. weil Sie eine gut bezahlte Arbeitsstelle gefunden oder eine Erbschaft gemacht haben, dann kann es geschehen, dass das Gericht die vorgestreckten Auslagen für den eigenen Anwalt und die Gerichtskosten zurückfordert. In diesem Fall wird das Gericht die Rückzahlung dieses Betrages in mehreren monatlichen Raten anordnen.

Berechnungsbeispiel für die Prozesskostenhilfe

Herr A hat einen Rechtstreit mit seinem Arbeitgeber. Herr A will wissen, ob er Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe erhält. Herr A ist verheiratet und hat eine Tochter (Ehefrau und Tochter sind beide nicht berufstätig). Das Gericht wird nach Antragstellung und Einreichung der Unterlagen folgende Berechnung durchführen.

Nettoeinkommen des A = 2.100 Euro

Kindergeld = 250 Euro

Einkommen = 2.350 Euro

Miete + Nebenkosten = 1.000 Euro

KfZ-Haftpflichtversicherung = 50 Euro

Verbleibendes Einkommen = 1.300,00 Euro

Freibetrag für A aus der Erwerbstätigkeit = 282 Euro

Freibetrag Ehegatte = 619 Euro

Freibetrag Unterhaltsbetrag = 429 Euro

Freibeträge = 1.330 Euro

Einzusetzendes Einkommen = - 30 Euro

Ergebnis: Herr A erhält sowohl die Beratungshilfe als auch Prozesskostenhilfe.

Bitte berücksichtigen Sie, dass das vorgenannte Beispiel stark vereinfacht ist. Ferner ändern sich die Freibeträge jedes Jahr. Das Bundesjustizministerium gibt regelmäßig bekannt, welche Beträge vom Einkommen eines PKH-Antragstellers abzusetzen sind. Der Unterhaltsfreibetrag für das eine oder mehrere Kinder ist bei jedem erwerbstätigen Elternteil in vollem Umfang und nicht nur anteilig zu berücksichtigen. Vorhandene Schulden können nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich eine Schuldentilgung stattfindet.

Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe

Prozesskostenhilfe kann auch für Verfahren vor Gerichten im EU-Ausland gewährt werden. Durch Gesetz ist eine EG-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden. Einem Antragsteller im Inland (Deutschland) ist es dadurch möglich, in einem anderen EU-Staat einen Rechtstreit mit PKH zu führen (ausgehende Ersuchen). Ebenso kann ein Antragsteller aus dem europäischen Ausland seinen Rechtstreit in Deutschland führen (eingehende Ersuchen). Prozesskostenhilfe wird nunmehr auch für Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gewährt. Nach wie vor sind die subjektiven Voraussetzungen, die hinreichende Erfolgsaussicht und das Fehlen von Mutwilligkeit zu prüfen. Problematisch sind allerdings die unterschiedlichen Regelungen zur Bedürftigkeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Rechtsprechung

Hier einige Urteile zum Thema Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe:

- Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.05.2009, (Aktenzeichen 1 BvR 1517/08):
Die Beratungshilfestellen der Amtsgerichte verweigern den Rechtsuchenden vielfach die beantragte Beratungshilfe mit der Begründung, dass diese sich selbst an das Jobcenter oder die sonstigen Sozialversicherungsträger wenden könnten, da diese zur Beratung und umfassenden Prüfung von Widersprüchen verpflichtet seien. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin festgestellt, dass die Ablehnung der Beratungshilfe die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletze. Es sei den Rechtsuchenden nicht zumutbar, den Rat derselben Behörde einzuholen, gegen deren Entscheidung ein Widerspruch eingelegt werden soll. Das Ziel einer Kosteneinsparung sei kein Rechtfertigungsgrund für die Versagung der Beratungshilfe.

- Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 07.10.2015, (Az: 1 BvR 1962/11): Beratungshilfe kann nicht mit der Begründung verweigert werden, dass die antragstellende Person den Widerspruch selbst einlegen könnte. Die Erfolgsaussichten eines Widerspruches hängen wesentlich von dessen sorgfältiger, rechtlicher Begründung ab. Die Ablehnung der Beratungshilfe durch die Beratungshilfestelle des Amtsgerichtes bedarf daher einer einzelfallbezogenen Begründung. Aus dem Grundsatz der Waffengleichheit folgt ferner, dass die rechtliche Begründung eines Widerspruchs nicht durch den rechtlichen Laien, sondern durch den sozialrechtlich versierten Anwalt erfolgen muss. Die Behörde wird spätestens im Widerspruchsverfahren häufig ebenfalls durch einen Juristen vertreten.

- Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.10.2017, (Az: 10 AZB 25/15): Prozesskostenhilfe in grenzüberschreitenden Fällen und Übersetzungskosten. Prozesskostenhilfe umfasst auch die Erstattung von Übersetzungskosten für solche Anlagen, die für die Entscheidung über den PKH-Antrag erforderlich sind, sofern der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat.

Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht -
Kanzlei Lampertheim, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121 Bearbeitungsstand 14.05.2024 - Der Inhalt dieser Seiten kann auf keinen Fall eine Beratung durch einen Anwalt ersetzen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.

Bild Gericht: (c) Michael Grabscheit/ pixelio.de

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