Einführung in das Krankenversicherungsrecht
In der Krankenversicherung besteht ein Dualismus von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV). Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 hat der Gesetzgeber den Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Art "Bürgerversicherung" ausgedehnt. Ziel der Reform war der Versicherungsschutz für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland. Die gesetzliche Krankenversicherung enthält in § 5 Abs.1, Nr. 13 SGB V einen Auffangtatbestand und normiert die Versicherungspflicht für Jedermann.
Inhaltsverzeichnis
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
Pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sind alle Arbeitnehmer, bei denen das Bruttoarbeitsentgelt die aktuell gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Zum Bruttoentgelt gehören auch Einmalzahlungen (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld).
Bezieher von Arbeitslosengeld, Bürgergeld nach dem SGB II oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III
Landwirte und ihre mitarbeitenden Familienangehörige
Künstler und Publizisten
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Behinderte Menschen, die in anerkannten Behindertenwerkstätten tätig sind
Regelmäßig Auszubildende, Studenten und Praktikanten
Rentner mit entsprechenden Vorversicherungszeiten
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und die zuletzt gesetzlich krankenversichert waren
Weitere Versicherungsmöglichkeit: Freiwillige Versicherung in der GKV gem. § 9 SGB V
Sonstige Versicherungsmöglichkeit: Beitragsfreie Familienversicherung in der GKV gemäß § 10 SGB V
Leistungen der Krankenkassen
Es gilt das Sachleistungsprinzip, d.h. die gesetzlich geschuldeten Leistungen werden von der Krankenkasse im Regelfall als Sachleistung oder Dienstleistung erbracht
Kostenerstattung gibt es nur in Ausnahmefällen - z.B. Krankenkasse kann die Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Notfall) oder die Krankenkasse hat die Leistung zu Unrecht versagt
Es gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot § 12 SGB V, d.h. die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten
Leistungskatalog:
Leistungen zur Förderung der Gesundheit, zur Verhütung und zur Früherkennung von Krankheiten
Ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln
Häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe (Abgrenzungsschwierigkeiten zu Pflegeversicherungsleistungen)
Krankenhausbehandlung
Medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
Betriebshilfe für Landwirte
Krankengeld
bei Schwangerschaft und Mutterschaft ärztliche Betreuung, Hebammenhilfe, stationäre Entbindung, häusliche Pflege, Haushaltshilfe, Betriebshilfe für Landwirte, Mutterschaftsgeld
Hilfe zur Familienplanung und Leistungen bei durch Krankheit erforderlicher Sterilisation und bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch
Rechtsbehelf und Klageverfahren
Zuständig für die Leistungen der Krankenversicherung sind die Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen, die landwirtschaftlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen. Gegen einen ablehnenden Bescheid der Krankenversicherung können Sie binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Bescheides einen Widerspruch erheben (in diesem Zusammenhang weisen wir allerdings darauf hin, dass die meisten Krankenkassen ihre Verwaltungsakte nicht als Bescheide deklarieren und mit einer notwendigen Widerspruchsbelehrung versehen. Diese Schriftstücke der Krankenkasse sind daher für den Laien regelmäßig auch nicht als Bescheide erkennbar. Allerdings können Sie solche Verwaltungsakte im Unterschied zu den formgültigen Bescheiden dann auch ein ganzes Jahr lang anfechten). Auf Ihren Widerspruch wird entweder ein Abhilfebescheid ergehen oder ein ablehnender Widerspruchsbescheid erlassen. Im Falle eines ablehnenden Widerspruchsbescheides können Sie binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides eine Klage zum zuständigen Sozialgericht erheben. Befindet sich der Wohnsitz im Ausland, gelten verlängerte Fristen. An die erste Instanz vor dem Sozialgericht schließt sich eventuell ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht und dann eventuell die Revision vor dem Bundessozialgericht an. Eine Beauftragung des Rechtsanwaltes Ihres Vertrauens kann bereits im Widerspruchsverfahren empfehlenswert sein, sofern bereits im Widerspruchsverfahren durch die Angaben zum Streitgegenstand eine Weichenstellung erfolgen könnte.
Rechtsschutzversicherung/Gebühren/PKH
- Rechtsschutzversicherung:
Die meisten Rechtsschutzversicherungen übernehmen keine Rechtsanwaltsgebühren für eine Beratung und das Widerspruchsverfahren. Sie sind aufgrund ihrer Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARBs) erst ab dem Klageverfahren eintrittspflichtig. Gelegentlich kommt es vor, dass Erstberatungskosten aus Kulanzgründen von der Rechtsschutzversicherung getragen werden. Einige Rechtsschutzversicherungen versichern allerdings bereits das Widerspruchsverfahren. Diese Rechtsschutzversicherungen sind zudem nicht einmal teurer ! Hier lohnt sich ein Versicherungsvergleich durch Rückfrage bei einem Versicherungsmakler (der Versicherungsmakler ist im Unterschied zur Versicherungsagentur nicht an eine Versicherung gebunden).
- Rechtsanwaltsgebühren:
Die Höhe der Gebühren richtet sich im Regelfall nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In besonders komplizierten oder arbeitsintensiven Fällen kann eine Gebührenvereinbarung angemessen und erforderlich sein. Die Anwaltskosten sind abhängig vom Umfang, dem Haftungsrisiko und der Schwierigkeit der Angelegenheit. Die Gebühren für ein erstes Beratungsgespräch (sog. Erstberatung) in einer Rechtsangelegenheit betragen in der Regel zwischen 100,00 € und maximal 190,00 € (zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer). Es besteht die Möglichkeit, beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein zu beantragen. Im Widerspruchsverfahren entsteht eine Geschäftsgebühr und eventuell eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nebst Auslagenpauschale, Dokumentenpauschale, eventuell Fahrtkosten und Umsatzsteuer. Im Klageverfahren entsteht in der ersten Instanz eine Verfahrensgebühr, eine Termingebühr, eventuell eine Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale, Dokumentenpauschale, eventuell Fahrtkosten und Umsatzsteuer. Die Gebühren sind variabel (Rahmengebühren). Wir unterbreiten Ihnen gerne nach Kenntnis des Streitgegenstandes einen Kostenvoranschlag. Unterliegt die Behörde, dann trägt sie im Regelfall die vollständigen Anwaltskosten.
- Prozesskostenhilfe: Im Falle von Mittellosigkeit besteht die Möglichkeit, im Gerichtsverfahren sog. Prozesskostenhilfe zu beantragen. Der Staat trägt dann nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eventuell die Rechtsanwaltskosten. Er überprüft jedoch in einem Zeitraum von vier Jahren, ob er sich beim Antragsteller die vorgestreckten Kosten wiederholen kann. Unter diesem Link finden Sie einen weiterführenden Prozesskostenhilferechner.
Häufig auftretende Probleme mit den Krankenkassen
Die Schwierigkeit der Fallbearbeitung im Krankenversicherungsrecht liegt in folgenden Bereichen:
1. Die Krankenkassen halten sich kaum an die Verfahrensvorschriften des SGB X; Verwaltungsakte sind selten als Bescheide deklariert und regelmäßig nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Nachteil: der Rechtssuchende hat keine Ahnung, dass er die Möglichkeit hat, sich gegen die Ablehnung zur Wehr zu setzen und vor allem, mit welchem Rechtsbehelf er sich gegen die ablehnende Entscheidung wehren kann. Vorteil: der Bescheid der Krankenkasse ist nicht nur einen Monat, sondern ein ganzes Jahr lang unter Umständen mit einer negativen Kostenfolge für die Krankenkasse angreifbar.
2. Die Berechnung des Krankengeldes sollte detailliert überprüft werden. Die Berechnung ist sehr kompliziert und nicht selten weisen die Krankengeldbescheide fehlerhafte Berechnungen auf. Die Krankengeldzahlung fällt dann zu niedrig aus.
3. Das Krankengeld wird häufig von der Krankenkasse mit dem Hinweis auf ein "Gutachten" des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) nach Aktenlage einfach kurzfristig eingestellt. Der Antragsteller wird sodann in unzulässiger Art und Weise auf das Arbeitslosengeld oder das Bürgergeld verwiesen. Die beiden letztgenannten Sozialleistungen sind im Regelfall deutlich niedriger als das Krankengeld. Die Verweigerung des Krankengeldes ist die häufigste Ursache für eine Auseinandersetzung mit der Krankenkasse.
4. Inhaltliche Auseinandersetzung mit außergerichtlichen und gerichtlichen medizinischen Fachgutachten zur Frage der Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit der Einstellung oder generellen Verweigerung der Krankengeldauszahlung. Besonderheit der Waffengleichheit für den Rechtsuchenden durch zweites Gutachten (§ 109 SGG-Antrag).
5. Ausschluss aus der beitragsfreien Familienversicherung wegen angeblich zu hohem Verdienst und Eingruppierung in die freiwillige Weiterversicherung mit erheblichen Beitragszahlungen.
6. Verweigerung von Heil- und Hilfsmitteln mit dem Argument der Unwirtschaftlichkeit oder nicht nachweisbarem Nutzen.
Hoher Schwierigkeitsgrad der Fallbearbeitung. In solchen Fällen sollte entweder ein Fachanwalt für Sozialrecht oder zumindest ein Rechtsanwalt mit ausgewiesenem Schwerpunkt "Krankenversicherungsrecht" eingeschaltet werden. In diesem Zusammenhang ist von Rechtsschutzversicherten ferner zu berücksichtigen, dass in Deutschland freie Anwaltswahl gilt und die Interessen der Rechtsschutzversicherungen bei Empfehlung eines Kooperationsanwaltes sowie die Interessen des Versicherten nicht gleichgelagert sind. Der Rechtsschutzversicherte sollte sich daher vergewissern, dass der empfohlene Kooperationsanwalt tatsächlich seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Sozialrecht/Sozialversicherungsrecht hat (entsprechende Nachweise lassen sich häufig auf der Homepage auffinden) und nicht nur für die Rechtsschutzversicherung aufgrund einer Kooperationsvereinbarung günstiger ist.
Leistungen unserer Kanzlei
- Überprüfung:
Überprüfung von Bescheiden der Krankenversicherung (z.B. wegen Krankengeld, Versicherungspflicht) sowie betreffend die Verweigerung der Familienversicherung. Überprüfung von bestandskräftigen Bescheiden (maximale Rückwirkung nur 4 Jahre). Überprüfung von Beitragsbescheiden mit Beitragsforderungen.
- Unterstützung bei Betriebsprüfungen:
Beratung und Vertretung in Fällen einer Betriebsprüfung
- Erfolgsaussichten:
Überprüfung der Erfolgsaussichten von Widerspruch und Klage
- Widerspruchsverfahren:
Durchführung von Widerspruchsverfahren gegen die Krankenkassen.
- Klageverfahren:
Vertretung in Sozialgerichtsverfahren vor allen Sozialgerichten und Landessozialgerichten. Entweder übernehmen wir persönlich sowohl die Ausarbeitung der Schriftsätze als auch die Wahrnehmung des Gerichtstermins oder aber wir suchen bei entfernteren Sozialgerichten geeignete Unterbevollmächtigte, die lediglich den Gerichtstermin wahrnehmen und den Terminsbericht verfassen.
Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Sozialrecht
Kanzlei Lampertheim, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121- Bearbeitungsstand 18.05.2024 - Der Inhalt dieser Seiten kann auf keinen Fall eine Beratung durch einen Anwalt ersetzen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
Bild Krankenversicherung: (c) Gerd Altmann/pixelio.de
Krankenkasse|Krankenversicherung|Sozialrecht|Mannheim|Lampertheim|Bürstadt|Biblis