Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise. < >
Reisezeiten und LKW-Fahrer
Urteil des BAG vom 20.04.2011, Az: 5 AZR 200/10: die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel, wonach Reisezeiten mit der Bruttovergütung abgegolten seien, sind intransparent, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche Reisetätigkeit von ihr in welchem Umfang umfasst werden soll - schönes Urteil mit weitreichenden Auswirkungen für Berufskraftfahrer.
Impfschaden nach dem IfSG
Rechtsanwalt Christian Sehn Mannheim - Sozialrecht: das Hessische Landessozialgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2007 die Kausalitätsüberlegungen des BSG im Hinblick auf den Impfschaden noch einmal treffend zusammengefasst: Für die Impfopferversorgung wie auch für die Kriegsopferversorgung gilt, dass die schädigende Einwirkung (Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen und nicht nur wahrscheinlich sein müssen. Nur für den ursächlichen Zusammenhang genügt dagegen der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit !
Datenschutzbeauftragter
Urteil des BAG vom 23.03.2011, Az: 10 AZR 562/09: Die unternehmerische Entscheidung, künftig mit einem externen Datenschutzbeauftragten zusammen zu arbeiten, stellt keinen für den Widerruf der Bestellung zum internen Datenschutzbeauftragten erforderlichen wichtigen Grund dar - wichtig: gerne wird übersehen, dass nach § 4 f Bundesdatenschutzgesetz der Datenschutzbeauftragte zeitlich befristeten und auch nachwirkenden Sonderkündigungsschutz genießt.
Heirat mit einer Chinesin und Kündigung
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 22.06.2011, Az: 3 Sa 95/11: Die Eheschließung eines Arbeitnehmers mit einer chinesischen Staatsangehörigen rechtfertigt keine Kündigung wegen der Gefahr von Industriespionage - Der Arbeitgeber hat die Beziehung jahrelang vor der Hochzeit als nicht sicherheitsrelevant eingeordnet.
Arbeitszeitbetrug
Urteil des BAG vom 9.6.2011, Az: 2 AZR 381/10: Die Arbeitszeit beginnt erst mit Betreten des Dienstgebäudes. Erfasst ein Arbeitnehmer abweichend hiervon schon die Zeit der Parkplatzsuche auf dem Firmenparkplatz als Arbeitszeit, so kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Täuschung über die Arbeitszeit heimlich und vorsätzlich erfolgt. In diesem Fall ist vor Ausspruch der Kündigung nicht einmal eine Abmahnung erforderlich. Ein solcher Arbeitszeitbetrug ist grds. geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Arbeitgeber müssen auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Ein vorsätzlich falsches Erfassen der Arbeitszeit stellt daher in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.
Rechtschutz und Widerspruchsverfahren
Bisher haben sämtliche Rechtsschutzversicherungen immer eine Deckungsschutzzusage für das Widerspruchsverfahren im Sozialrecht (Hartz IV, Arbeitslosengeld, Krankenversicherungsrecht, Rentenrecht, Unfallversicherungsrecht, Schwerbehinderten- und Pflegeversicherungsrecht abgelehnt. Nach unseren Recherchen bieten nunmehr jedoch mehrere Rechtschutzversicherungen einen entsprechenden Versicherungsschutz günstig an. So hat z.B. die ARAG Rechtsschutzversicherung diese Versicherungsleistung in ihre neuen Versicherungsverträgen aufgenommen - eine Nachfrage während des Gespräches mit dem Versicherungsagenten lohnt sich also.
Mehrbedarfszuschlag für Warmwasser
Hinweis zum SGB II: Wir dürfen noch einmal darauf hinweisen, dass bei dezentraler Warmwasseraufbereitung (Gastherme und Durchlauferhitzer) ein Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag besteht. Jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erhält sodann einen Mehrbedarfszuschlag in unterschiedlicher Höhe. So erhält ein Mitglied einer BG mit dem Regelsatz 364,00 € einen Betrag in Höhe von 8,37 €. Bei mehreren Mitglieder der BG summiert sich der Gesamtbetrag sehr schnell zu einem passablen Sümmchen - jeder zweite kontrollierte Bescheid berücksichtigt diesen Mehrbedarfszuschlag noch nicht.
Jesus hat Sie lieb und Kündigungsgrund
Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 20.04.2011, Az: 4 Sa 2230/10: Der Kläger arbeitet bei der Beklagten als Call-Center-Agent. Er ist tief religiös und beendet nahezu jedes telefonische Kundengespräch mit der Verabschiedungsformel „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei uns und einen schönen Tag“. Der Arbeitgeber beanstandete die verwendete Schlussformel. Daraufhin berief sich der Kläger auf seine religiöse Überzeugung. Der Arbeitgeber beendete daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgerecht. Dagegen wehrte dieser sich mit einer Kündigungsschutzklage. Er versuche lediglich, seinen arbeitsrechtlichen und seinen religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Kundenbeschwerden habe es im Übrigen nicht gegeben. Das Arbeitsgericht Bochum hob die Kündigung auf. Die Kündigung sei unwirksam, weil die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers hinter die Glaubensfreiheit des Mitarbeiters zurückzutreten habe. Das LAG Hamm sah dies dagegen anders. Ein Arbeitnehmer, der sich darauf beruft, dass die Befolgung einer Arbeitsanweisung ihn in seiner Glaubensfreiheit beeinträchtige, müsse nachvollziehbar darlegen, dass er ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltensregel absehen könne. Dies habe der Kläger im vorliegenden Fall nicht überzeugend getan.
In eigener Sache....
Spiegel-Artikel vom 04.04.2011: Arbeitszeugnis im Test - Nichts als Lyrik und Chichi von Anja Tiedge
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/0,1518,753124,00.html
Es ist eine große Ehre, in einem Spiegel-Artikel zitiert zu werden.
Sozialrecht und Überprüfungsantrag
Wer einen Verwaltungsakt erhalten hat, kann innerhalb eines Monats einen Widerspruch einlegen, sofern er den Bescheid für fehlerhaft hält. Ist diese Frist verstrichen, gibt es allerdings noch die Möglichkeit, einen Überprüfungsantrag zu stellen - Allerdings: neue Rechtslage ab März 2011. Der Überprüfungszeitraum wurde vom Gesetzgeber von vier Jahren auf ein Jahr verkürzt. Ganz offensichtlich war man es bei den Jobcentern leid, die eigenen fehlerhaften Entscheidungen über einen solch langen Zeitraum immer wieder korrigieren zu müssen.