Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
"Jawohl, mein Führer" und Kündigung
Landesarbeitsgericht Mainz, Az:11 Sa 353/10: Was kann man sich gegenüber seinen Vorgesetzten erlauben und was geht gar nicht ? Ein Bereichsleiter eines Supermarkts reagierte auf Vorhaltungen mit der sarkastischen Bemerkung "Jawohl, mein Führer". Daraufhin erhielt er die Kündigung. Nach Ansicht des LAG Mainz war die Kündigung allerdings voreilig. Der Rauswurf ohne vorherige Abmahnung sei unverhältnismäßig. Der Arbeitnehmer bestritt die verbale Entgleisung nicht. Er entschuldigte sich zwar später bei der Mitarbeiterin, trotzdem erhielt er eine außerordentliche Kündigung. Die juristische Auseinandersetzung zog sich über mehr als zwei Jahre hin. Die Richter der ersten und zweiten Instanuz sahen die Anrede mit "Jawohl, mein Führer" als beleidigend und nicht hinnehmbar an. Die Kündigung war nach Ansicht der Richter trotzdem überzogen. Nach ihrer Auffassung wäre "eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber der Kündigung angemessen und ausreichend gewesen". Selbst wenn die Ehrverletzung und der Pflichtverstoß des Arbeitnehmers in diesem Fall erheblich seien, müsse der Arbeitgeber das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten - Bereits mit einer einmaligen Verfehlung kann man einen Abfindungsanspruch erheblich gefährden. Daher sollte sich der Arbeitnehmer bei Auseinandersetzungen mit seinem Vorgesetzten eher zurückhalten. Notfalls den Betriebsrat oder den eigenen Rechtsanwalt einschalten.
Arbeitsrecht, Nagellack und Toupet
Beschluss des Landesarbeitsgerichtes Köln, Az: 3 TaBV 15/10: Der Arbeitgeber darf den weiblichen Arbeitnehmern nicht die Farbe des Nagellacks vorschreiben. Er darf den männlichen Angestellten auch nicht das Tragen eines Toupets bei der Arbeit verbieten. Der Beschluss betrifft die Dienstvorschriften eines Sicherheitsunternehmens des Flughafens Köln/Bonn. Der Betriebsrat war wegen der umstrittenen Regelungen vor Gericht gezogen. Nach Auffassung der Richter stellen einige der Vorschriften zum äußeren Erscheinungsbild der Mitarbeiter eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dar. Das einheitliche Erscheinungsbild der Beschäftigten werde im Regelfall durch einheitliche Dienstkleidung und nicht durch einheitlichen Nagellack erreicht. Das Verbot künstlicher Haarteile für Männer sei dagegen diskriminierend. Ein Toupet könne zum Selbstwertgefühl von Männern beitragen, die unter Haarausfall leiden. Das Gericht sah allerdings kein Problem darin, dass der Arbeitgeber den Mitarbeitern das Tragen von BHs oder eines Unterhemdes vorschrieb, damit die Dienstkleidung nicht so schnell abnutze. Ferner seien die Vorgaben zur Farbe der Unterwäsche (weiß oder hautfarben) nicht zu beanstanden. Diese Regelung habe den Sinn zu verhindern, dass die Unterwäsche durch die Oberbekleidung durchscheine.
Vorgesetzter und verweigerter Gruss
Urteil des LAG Köln vom 29.11.2005, Az: 9 (7) Sa 657/05: Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer, da dieser bei zwei Begegnungen außerhalb des Betriebes den Geschäftsführer in Anwesenheit weiterer Personen nicht gegrüßt hat. Das LAG hat die Kündigung einkassiert. In der Urteilsbegründung heißt es u.a. zutreffend: „Die mehrfache Verweigerung des Grußes gegenüber dem Geschäftsführer nach dessen vorherigem Gruß stellt keine grobe Beleidigung dar, die zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen könnte". Das LAG führt weiter aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch bitten und ihn an die üblichen Umgangsformen erinnern kann. Ob die dauerhafte Verweigerung des Grußes nach einer Abmahnung einen Kündigungsgrund darstellen kann, hat das Landesarbeitsgericht allerdings noch nicht entschieden.
Führerschein und Kündigung
Urteil des LAG Mainz vom 20.05.2010, Az: 10 Sa 52/10: Eine Kündigung eines Busfahrers wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist nur mit vorheriger Abmahnung zulässig. Der Arbeitgeber - ein öffentlicher Verkehrsbetrieb - hatte dem Busfahrer fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Der Arbeitnehmer war ohne gültigen Führerschein gefahren. Die Fahrerlaubnis für Busse wird für maximal fünf Jahre erteilt und war bereits abgelaufen. Eine Verlängerung hatte der Arbeitnehmer nicht beantragt. Das Amtsgericht Koblenz hatte ihn wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Arbeitsgericht verneinte trotzdem ein überwiegendes Interesse des Verkehrsbetriebs an der Kündigung. Das Prognoseprinzip verlange bei verhaltensbedingten Kündigungen eine Prüfung, ob sich ein entsprechender Pflichtverstoß wiederholen wird. Der fahrlässige Pflichtenverstoß des Busfahrers rechtfertige nicht den Schluss, er werde auch zukünftig die rechtzeitige Verlängerung der befristeten Fahrerlaubnis vergessen und deshalb erneut einen Omnibus ohne Fahrerlaubnis führen.
Urlaub, Teilzeit und Elternzeit
Urteil des EuGH vom 22.04.2010, Az: C-486/08: Der EuGH hat sich zunächst mit der Frage beschäftigt, ob ein Urlaubsanspruch, der vor einer Arbeitszeitänderung erworben wurde, bei einer Reduzierung der Arbeitszeit (Beispiel: Arbeitnehmer reduziert die wöchentliche Arbeitszeit von fünf auf zwei Tage) anteilig gekürzt werden kann. Der EuGH hat dies für den Fall verneint, dass der Arbeitnehmer vor der Arbeitszeitänderung nicht die Möglichkeit hatte, den zustehenden Urlaubsanspruch zu realisieren. Ferner hat der EuGH entschieden, dass Urlaubsansprüche, die vor einer Elternzeit erworben wurden und aufgrund einer mehrjährigen Elternzeit nicht genommen werden konnten, nicht verfallen können.
Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererblich...
Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 22.04.2010, Az: 16 Sa 1502/09: Ansprüche auf Abgeltung des Urlaubs können vererbt werden, wenn der Urlaub aufgrund einer Krankheit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden konnte. Das LAG orientiert sich dabei an der geänderten Rechtsprechung des BAG zur Urlaubsabgeltung bei Krankheit. Der Anspruch ist erst mit dem Tod des Arbeitnehmers entstanden und gehört daher zum Nachlass. Der überlebende Ehegatte kann daher die Abgeltung des Urlaubs vom Arbeitgeber verlangen - Das BAG hat am 24.03.2009 entschieden, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dann nicht erlöscht, wenn der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkrankt ist und deshalb nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann.
CGZP und echte Gewerkschaften
Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.12.2010, Az: 1 ABR 19/10:
Die CGZP (Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Personalserviceagenturen) ist nicht tariffähig. Die CGZP ist ein
Zusammenschluss von drei Gewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes
(CGB). Sie hat zahlreiche Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche
abgeschlossen. Diese Tarifverträge sind häufig als
Dumping-Tarifverträge bezeichnet und kritisiert worden. Denn es gilt der
Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer hinsichtlich Entlohnung, Urlaub und
Arbeitszeit so zu behandeln sind, wie die beim Entleiher fest angestellten
Arbeitnehmer (equal pay-Grundsatz = gleicher Lohn für gleiche Arbeit).
Folge dieser Entscheidung des BAG ist, dass die Tarifverträge der CGZP als
unwirksam anzusehen sind. Dies wird erhebliche Konsequenzen für
Leiharbeiter/Zeitarbeiter haben, die nach dem Tarif der CGZP beschäftigt
und bezahlt worden sind - betroffene Arbeitnehmer sollten
unverzüglich handeln und einen Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt
Arbeitsrecht oder Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultieren.
Rechtschutz, Mobbing und Schadensersatz
Urteil des OLG Saarbrücken vom 11.11.2009, Az: 5 U 63/09: das Urteil enthält neben der Bestimmung des "Erstverstoßes" (§ 4 ARB) auch eine Klarstellung dahingehend, dass bei Mobbingfällen kein Fall des Schadensersatzrechtschutzes, sondern ausschließlich des Arbeitsrechtschutzes nach § 2 b ARB einschlägig ist - Hinweis: nach unserer Einschätzung verschlechtern sich die ARB (Allgemeinen Rechtschutzbedingungen) mit jeder Novelle. Sie sollten daher das Angebot einer Rechtschutzversicherung zum Neuabschluss eines Rechtschutz-Versicherungsvertrages genau überprüfen. Einen Vertrag ohne Selbstbeteiligung werden Sie wahrscheinlich nicht wieder erhalten !
Kündigung und Diebstahl/Unterschlagung
Beschluss des Arbeitsgerichtes Bonn vom 26.10.2010, Az: 1 BV 47/10:
Sachverhalt: Ein 50-jähriger Betriebsratsvorsitzender ist
seit mehr als 30 Jahren bei demselben Arbeitgeber tätig. Dieser wollte das
Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, da der Betriebsratsvorsitzende
drei Schraben im Wert von 0,28 Euro an einen Arbeitskollegen verschenkt hatte.
Der Vorfall wurde durch einen anonymen Brief an den Arbeitgeber bekannt.
Der Arbeitgeber reagierte sofort und forderte vom Betriebsrat die Zustimmung
zur fristlosen Kündigung. Der Betriebsrat verweigerte allerdings die
Zustimmung. Auf Antrag des Arbeitgebers sollte das Arbeitsgericht die
Zustimmung des BR durch eine Gerichtsentscheidung ersetzen.
Entscheidung: das Arbeitsgericht Bonn hat den Antrag des
Arbeitgebers zurückgewiesen. Vor allem die lange
Betriebszugehörigkeit und das sofortige Eingeständnis des
BR-Vorsitzenden war dabei von entscheidender Bedeutung -
Das Arbeitsgericht Bonn folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Dieses hatte in seiner Emmely-Entscheidung bestätigt, dass Diebstahl,
Unterschlagung oder Betrug auch dann zur außerordentlichen Kündigung
führen können, wenn nur geringfügige Werte betroffen sind.
Allerdings sei eine über lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht notwendig schon durch eine
erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich
zerstört.
Karenzentschädigung und Wettbewerbsverbot
Urteil des BAG vom 21.04.2010, 10 AZR 288/09:
Sachverhalt: der Arbeitgeber (das Unternehmen vertreibt
Türen und Fenster ausschließlich an Fachhändler) hatte im
Arbeitsvertrag geregelt, dass der Arbeitnehmer zwei Jahre nach dem Ende seiner
Tätigkeit keine Konkurrenztätigkeit aufnehmen darf. Als
Konkurrenzunternehmen wurden in der Wettbewerbsvereinbarung ohne weitere
Einschränkungen Betriebe definiert, die mit dem Vertrieb von Fenstern und
Türen befasst sind.
Entscheidung: dieses Wettbewerbsverbot dient nach Auffassung
des BAG nicht dem Schutz der gewerblichen Interessen des Arbeitgebers. Das
Wettbewerbsverbot ist daher teilweise unwirksam und damit unverbindlich. Es war
ausreichend, dass der Arbeitnehmer den verbindlichen Teil einhielt und seinem
ehemaligen Arbeitgeber nicht beim Vertrieb der Produkte an
Fachhändler Konkurrenz gemacht hat. Der Arbeitnehmer/Kläger
konnte daher seinen Anspruch auf die Karenzentschädigung gem. § 74
HGB durchsetzen - Die Vereinbarung eines
Wettbewerbsverbotes führt häufig zu gerichtlichen
Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Vereinbarung
sollte aufgrund der weitreichenden finanziellen Folgen von einem Fachanwalt
für Arbeitsrecht aufgesetzt/überprüft werden.