Unfallversicherung - SGB VII
Einführung in das Unfallversicherungsrecht
Gesetzliche Unfallversicherung
Die gesetzliche Unfallversicherung ist im Sozialgesetzbuch VII (kurz SGB VII) geregelt. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind u.a. die Berufsgenossenschaften (BG). Sie sind nach Gewerbezweigen aufgeteilt. Welche Berufsgenossenschaft zuständig ist, kann der Rechtsuchende beim Landesverband der Berufsgenossenschaften erfahren. Die primäre Aufgabe der BG ist die Unfallverhütung. Kommt es trotzdem zum Unfall, dann ist es deren Aufgabe, nach einem Arbeitsunfall die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Versicherten wiederherzustellen und ihn eventuell durch eine Geldleistungen zu entschädigen. Dasselbe gilt im Falle einer Berufskrankheit. Die Berufsgenossenschaften stellen hierzu erforderliche Sachleistungen (z.B. Krankenbehandlung, Reha-Maßnahmen) oder Geldleistungen (Verletztengeld, Verletztenrente) bereit. Die Haftung des Arbeitgebers wird durch die gesetzliche Unfallversicherung weitgehend - aber nicht vollständig - beseitigt.
Definition von Arbeitsunfall und Berufskrankheit
Arbeitsunfall: Arbeitsunfälle sind plötzliche und nicht vorhersehbare von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die sich gesundheitsschädigend auf den Körper des unfallversicherten Arbeitnehmers auswirken oder zu seinem Tod führen (§ 8 SGB VII). Man spricht auch von Betriebsunfall. Der Unfall muss in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitnehmers stehen. Auf ein Verschulden des Versicherten kommt es grundsätzlich nicht an. Ein Arbeitsunfall liegt ferner vor, wenn der Arbeitnehmer auf dem direkten Weg von und zur Arbeit verunglückt. Man spricht dann von einem Wegeunfall.
Berufskrankheit: Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Oder kurz gesagt: Berufskrankheiten sind alle die Erkrankungen, die in der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt sind und die sich ein Versicherter aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zuzieht oder die nach neusten medizinischen Erkenntnissen durch den Beruf verursacht sein können. Unternehmer und Ärzte sind bei Verdacht gehalten, diesen Verdacht im Hinblick auf eine Berufserkrankung dem Unfallversicherungsträger zu melden. Die Berufskrankheitenverordnung ist unterteilt in Berufserkrankungen durch chemische Einwirkungen, durch physikalische Einwirkungen (z.B. Heben oder Tragen von Lasten), verursacht durch Infektionserreger oder Parasiten, verursacht durch Erkrankungen der Atemwege und der Lunge durch anorganische Stäube (Asbest) und Silikose sowie verursacht durch Hautkrankheiten (z.B. Allergien) etc.
Versicherungspflicht in der Unfallversicherung
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Kraft Gesetzes sind versichert:
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Beschäftigte (d.h. alle Arbeitnehmer),
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Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen
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Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dienen,
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behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten tätig sind,
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Personen, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, sowie nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige,
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Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
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Selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer,
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Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen,
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Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
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Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
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Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
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Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen,
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Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, Blut oder körpereigene Organe spenden, die bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen sich persönlich einsetzen etc.
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Versicherung kraft Satzung: die Unfallversicherung kann sich kraft Satzung auf den Unternehmer und seinen im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner sowie auf Besucher erstrecken,
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Freiwillige Versicherung: auf schriftlichen Antrag können sich weitere Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern.
Leistungskatalog der Unfallversicherung
Folgende Leistungen werden von der gesetzlichen Unfallversicherung von Amts wegen erbracht:
- Heilbehandlung (ärztliche und zahnärztliche Behandlung),
- Arzneimittel und Verbandmittel,
- Heilmittel, Krankengymnastik, Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege,
- Verletztengeld,
- Verletzenrente bei Minderung der Erwerbsfähigkeit,
- Hinterbliebenenrenten;
- Rentenabfindung von Verletztenrente, Witwen- und Witwerrenten,
- Rehamaßnahmen (auch Umschulungsmaßnahmen und Aus- und Weiterbildungsprogramme),
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
- Übergangsgeld,
- Haushaltshilfe, Kinderbetreuungskosten, Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe,
- Leistungen bei Pflegebedürftigkeit,
- Sterbegeld und Erstattung von Überführungskosten.
Sonstige Informationen zur Unfallversicherung
- Auszahlung: das Verletztengeld wird aufgrund einer besonderen Vereinbarung zwischen Kranken- und Unfallversicherungsträgern von der jeweils zuständigen Krankenkasse des Unfallversicherten ausgezahlt.
- Finanzierung: die Unfallversicherung wird ausschließlich über die Arbeitgeberbeiträge finanziert. Die Berufsgenossenschaften dürfen keine Gewinne erzielen. Die Beitragshöhe ergibt sich aus den Ausgaben für Prävention, den Ausgaben aufgrund von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie den Verwaltungskosten der Berufsgenossenschaften. Die Aufwendungen der Berufsgenossenschaft werden jährlich nachträglich auf die Mitgliedsunternehmen umgelegt. Die Beiträge der einzelnen Unternehmen werden berechnet über den Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen.
- Aufhebung des Veranlagungsbescheides: ein Veranlagungsbescheid kann mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, soweit die Veranlagung zu einer zu niedrigen Gefahrklasse geführt hat, weil der Unternehmer seiner Mitteilungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist oder seine Angaben in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren. Ein Veranlagungsbescheid kann ferner mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, wenn die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse geführt hat und diese zu hohe Einstufung nicht von dem Unternehmer zu vertreten ist. Ansonsten wird ein Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats, der der Bekanntgabe des Bescheides folgt, aufgehoben.
- Beitragsbescheid: die Berufsgenossenschaft teilt dem Beitragspflichtigen den zu zahlenden Beitrag schriftlich mit (§ 168 SGB VII). Dieser Bescheid kann mit einer Frist von einem Monat angegriffen werden.
Rechtsweg im Unfallversicherungsrecht
Zuständig für die Leistungen der Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die Unfallkassen (die Feuerwehr-Unfallkassen, Unfallkasse des Bundes, Eisenbahn-Unfallkasse, Unfallkasse Post und Telekom, Unfallkassen der Länder, die Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen der Gemeinden). Gegen einen ablehnenden Bescheid des Unfallversicherungsträgers können Sie binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Bescheides den Widerspruch erheben. Der Unfallversicherungsträger wird dann den Vorgang noch einmal überprüfen. Es wird sodann entweder ein Abhilfebescheid ergehen oder ein ablehnender Widerspruchsbescheid erlassen. Im Falle eines ablehnenden Widerspruchsbescheides können Sie wiederum binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides eine Klage zum Sozialgericht erheben. Befindet sich der Wohnsitz im Ausland, gelten verlängerte Fristen. An die erste Instanz vor dem Sozialgericht schließt sich eventuell ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht und möglicherweise die Revision vor dem Bundessozialgericht in Kassel an. Eine Beauftragung des Rechtsanwaltes Ihres Vertrauens kann bereits im Widerspruchsverfahren empfehlenswert sein, sofern bereits im Widerspruchsverfahren durch die Angaben zum Streitgegenstand eine entscheidende Weichenstellung erfolgen könnte.
Rechtschutzversicherung und Anwaltskosten
- Rechtschutzversicherung:
Die meisten Rechtsschutzversicherungen übernehmen keine Rechtsanwaltsgebühren - weder für eine Beratung noch das Widerspruchsverfahren. Sie sind aufgrund ihrer Allgemeinen Rechtschutzbedingungen (ARB) erst ab dem Klageverfahren eintrittspflichtig. Gelegentlich kommt es vor, dass Erstberatungskosten aus Kulanzgründen von der Rechtschutzversicherung getragen werden. Einige Rechtschutzversicherungen versichern allerdings bereits das Widerspruchsverfahren. Diese Rechtschutzversicherungen sind zudem nicht einmal teurer ! Hier lohnt sich ein Versicherungsvergleich durch Rückfrage bei einem Versicherunsmakler (der Versicherungsmakler ist im Unterschied zur Versicherungsagentur nicht an eine Versicherung gebunden).
- Rechtsanwaltsgebühren:
Die Höhe der Gebühren richtet sich im Regelfall nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In besonders komplizierten oder arbeitsintensiven Fällen kann eine Gebührenvereinbarung angemessen und erforderlich sein. Die Anwaltskosten sind abhängig vom Umfang, dem Haftungsrisiko und der Schwierigkeit der Angelegenheit. Die Gebühren für ein erstes Beratungsgespräch (sog. Erstberatung) in einer Rechtsangelegenheit betragen in der Regel zwischen 100,00 € und maximal 190,00 € (zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer). Es besteht die Möglichkeit, beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein zu beantragen. Im Widerspruchsverfahren entsteht eine Geschäftsgebühr und eventuell eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nebst Auslagenpauschale, Dokumentenpauschale, eventuell Fahrtkosten und Umsatzsteuer. Im Klageverfahren ensteht in der ersten Instanz eine Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr, eventuell eine Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale, Dokumentenpauschale, eventuell Fahrtkosten und Umsatzsteuer. Die Gebühren sind variabel (Rahmengebühren). Wir unterbreiten Ihnen gerne nach Kenntnis des Streitgegenstandes einen Kostenvoranschlag. Unterliegt die Behörde, dann trägt sie im Regelfall die vollständigen Anwaltskosten.
- Prozesskostenhilfe: Im Falle von Mittellosigkeit besteht die Möglichkeit, im Gerichtsverfahren sog. Prozesskostenhilfe zu beantragen. Der Staat trägt dann nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eventuell die Rechtsanwaltskosten. Er überprüft jedoch in einem Zeitraum von vier Jahren, ob er sich beim Antragsteller die vorgestreckten Kosten wiederholen kann. Unter diesem Link finden Sie einen weiterführenden Prozesskostenhilferechner....
Bekannte Probleme - Unfallversicherung
Die Schwierigkeit der Fallbearbeitung im Unfallversicherungsrecht liegt hauptsächlich in folgenden Bereichen:
- Kausalitätsfragen: Der Unfallversicherungsträger bestreitet, dass die Erkrankung auf einen Arbeitsunfall oder aber eine Berufserkrankung zurückzuführen ist. Vielmehr seien regelmäßig altersbedingte Verschleißerscheinungen oder aber alternative Geschehnisse ursächlich für die aktuelle Erkrankung. Meistens entstehen durch diese Behauptung für den Rechtsuchenden erhebliche Beweisprobleme, da die BG sich mit der Bemerkung zurücklehnt: "Führen Sie den Nachweis und beweisen Sie uns das Gegenteil". Dementsprechend schwierig gestaltet es sich, diese Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich gegen die BG durchzusetzen. Die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist besonders schwierig. Der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers liegt nicht immer offensichtlich auf der Hand. Häufig entsteht die Erkrankung (z.B. Krebserkrankung) über mehrere Jahre hinweg. Ferner fallen häufig mehrere, möglicherweise krankheitsverursachende Umstände zusammen (Beispiel: Arbeitnehmer inhaliert bei der Arbeit krebserregende Stoffe und muss sich ferner von der BG Nikotingenuss vorwerfen lassen).
- Medizinische Gutachten: Ein weiteres Problem ist das Verstehen, Deuten und die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem eingeholten Gutachten. Es reicht keinesfalls das Ergebnis der Begutachtung hinzunehmen. Der Anwalt muss sich - im Rahmen seiner Möglichkeiten - kritisch mit dem medizinischen Gutachten auseindersetzen.
In der Regel muss ein unabhängiges Gutachten eingeholt werden, da das von der Unfallversicherung eingeholte Gutachten nicht selten "inhaltliche Schwächen" aufweist. Die Sozialgerichte holen im Normalfall allerdings von Amts wegen nur ein Gutachten ein. Wer über eine eintrittsbereite Rechtschutzversicherung verfügt, kann noch ein zweites Gutachten durchsetzen, falls das erste Gutachten den Unfallversicherungsanspruch nicht bestätigt.
-> Hoher Schwierigkeitsgrad der Fallbearbeitung. In solchen Fällen sollte entweder ein Fachanwalt für Sozialrecht oder zumindest ein Rechtsanwalt mit ausgewiesenem Schwerpunkt "Unfallversicherungsrecht" eingeschaltet werden. In diesem Zusammenhang ist von Rechtschutzversicherten zu berücksichtigen, dass in Deutschland freie Anwaltswahl besteht und die Interessen der Rechtschutzversicherungen bei Empfehlung eines Kooperationsanwaltes sowie die Interessen des Versicherten an optimaler Rechtsberatung nicht gleichgelagert sein müssen. Der Rechtschutzversicherte sollte sich daher vergewissern, ob der von der Versicherung empfohlene Kooperationsanwalt tatsächlich seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Sozialrecht/Sozialversicherungsrecht hat (entsprechende Nachweise lassen sich häufig auf der Homepage auffinden) und nicht nur für die Rechtschutzversicherung aufgrund einer Kooperationsvereinbarung günstiger ist.
- Beitragsbescheide: weitere Problempunkte sind häufig die Beitragsbescheide der Unfallversicherungsträger. Die Bescheide sind aufgrund der Komplexität der Berechnung selten transparent und enthalten nicht selten fehlerhafte Gefahrenklassen als Bemessungsgrundlage für die Beitragshöhe.
Leistungen unserer Kanzlei
- Überprüfung von Leistungsbescheiden und Beitragsbescheiden der Unfallversicherungsträger,
- Überprüfung auch von bestandskräftigen Bescheiden (maximale Rückwirkung: 4 Jahre),
- Benennung von medizinischen Sachverständigen zur Einholung von Attesten oder Gutachten,
- Überprüfung der Erfolgsaussichten von Widerspruch und Klage, Berufung oder Revision
- Durchführung von Widerspruchsverfahren gegen die Unfallversicherungsträger,
- Vertretung in Sozialgerichtsverfahren vor allen Sozialgerichten, Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht. Entweder übernehmen wir persönlich sowohl die Ausarbeitung der Schriftsätze als auch die Wahrnehmung des Gerichtstermins oder aber wir suchen bei entfernteren Sozialgerichten geeignete Unterbevollmächtigte, die lediglich den Gerichtstermin wahrnehmen und den Terminsbericht verfassen.
Rechtsprechung zum Thema Unfallversicherung
Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 16.01.2017, Az: L 1 U 120/16: Die kosmetische Anpassung weiterer Zähne an die Zahnimplantate im Frontzahnbereich (die Klägerin verlor bei einem Arbeitsunfall beide Schneidezähne) stellt keine Unfallfolge dar. Die Unfallversicherung muss also nicht für die Kosten einer kosmetischen Zahnbehandlung aufkommen.
Urteil des Sozialgerichtes Karlsruhe vom 30.08.2016, Az: S 4 U 2601/15: Der verunfallte Arbeitnehmer trägt die Beweislast dafür, dass ein Unfall ein Arbeitsunfall war und nicht ein erneuter Suizidversuch war.
Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 07.07.2016, Az: S 68 U 637/13: Das Sozialgericht Berlin hat die Klage eines Flugbegleiters auf Anerkennung einer "Wie-Berufskrankheit" abgewiesen. Eine Nervenerkrankung in Form einer Polyneuropathie aufgrund dauerhafter Belastung durch vergiftete Luft an Bord eines Flugzeugs sei nicht nachweisbar.
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 05.07.2016, Az: B 2 U 5/15 R: Kein Unfallversicherungsschutz auf Wegen zur Nahrungsaufnahme innerhalb der eigenen Wohnung für Beschäftigte in einem homeoffice. Die Klägerin war auf dem Weg in die Küche, um sich etwas zum Trinken zu holen. Dabei rutschte sie auf der in das Erdgeschoss führenden Treppe aus und verletzte sich dabei. Ein vom häuslichen und persönlichen Lebensbereich ausgehendes Unfallrisiko ist nicht der Unfallversicherung sondern dem Versicherten zuzurechnen.
Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 03.02.2016, Az: S 17 U 487/14: Bei verkürzter Lebenserwartung besteht kein Anspruch auf Abfindung der Unfallrente. Der Unfallversicherungsträger darf bei einer Ermessensentscheidung über die Abfindung einer Rente eventuelle medizinische Erwägungen berücksichtigen. Im vorliegenden Fall war der Kläger mit sieben Stents im Herzbereich versorgt und wies ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil auf. Es bestand ferner aufgrund des Risikoprofils eine verminderte Lebenserwartung.
Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.03.2016, Az:
S 1 U 99/14: Die Teilnahme an einem Firmenlauf steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Urteil des Sozialgerichtes Aachen vom 15.01.2016, Az:
S 6 U 284/14: Ein Sturz in der Kantine der Reha-Klinik ist im Regelfall kein Arbeitsunfall, denn die Einnahme der Mahlzeiten in der Kantine sei ärztlich nicht zwingend vorgeschrieben. Die Aufnahme von Nahrung sei, selbst wenn die Nutzung der Kantine von der Klinikleitung empfohlen werde, reine Privatsache. Der Kläger war nahe der Essensausgabe aus einem Elektrorollstuhl gefallen und hatte sich eine Sprunggelenksfraktur zugezogen.
Der nachfolgende Artikel gibt meine persönliche Meinung wieder. Ich bin als prozessbevollmächtigter Anwalt ausschließlich der Interessenvertreter des rechtsuchenden Bürgers und nicht zur Neutralität verpflichtet. Trotzdem traue ich mir eine objektive, kritische Bemerkung zum Sachverständigengutachten im Sozialrecht zu.
Ausgangslage: medizinische Gutachten spielen im Sozialversicherungsrecht die entscheidende Rolle. Gerade im Rentenrecht (Erwerbsminderungsrente), Schwerbehindertenrecht (GdB), Unfallversicherungsrecht (MdE oder Kausalität) oder auch im Pflegeversicherungsrecht (Pflegestufen) gibt das medizinische Gutachten den Ausschlag dahin, ob der Antragsteller den erhofften Anspruch (Rente, Merkzeichen, Pflegestufe) erhält oder eben nicht. In der Regel wird das Sozialgericht im Falle eines für den Kläger negativen Gutachtens zur Klagerücknahme raten. Ich habe zumindest noch nie erlebt, dass der Richter als Jurist sich über das medizinische Fachgutachten hinwegsetzt und einen Anspruch zuspricht. Deshalb ist es aus meiner Sicht unverzichtbar, dass das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten über jeden Zweifel erhaben ist.
Problemschilderung: Aufgrund zahlreicher Akteneinsichten kann ich feststellen, dass die Deutsche Rentenversicherung und im Übrigen auch die Berufsgenossenschaften außergerichtliche externe Gutachteraufträge im Fall (x) an dieselben Gutachter vergeben, die später auch eventuell im Sozialgerichtsverfahren im Fall (y) als Gutachter vom Gericht beauftragt werden. Dieser Zustand ist nach meiner Auffassung untragbar. Zum einen fehlt es bereits an dem Verständnis dafür, dass die Deutsche Rentenversicherung und die Berufsgenossenschaften Gutachtenaufträge extern an freiberufliche Sachverständige vergeben, denn die Krankenkassen, Pflegekassen und die Versorgungsämter beauftragen damit immer den eigenen medinzinischen Dienst. Somit stellt sich mir die Frage, warum die DRV und die BG´s nicht ebenfalls den eigenen sozialmedizinischen Dienst in Anspruch nehmen. Zum anderen sehe ich erhebliche Gefahren einer wirtschaftlichen Verflechtung und vor allem einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des freiberuflichen, medizinischen Gutachters von der DRV und der BG, sofern er im außergerichtlichen Verfahren mit lukrativen Gutachtenaufträgen bedacht wird. Es fällt schwer daran zu glauben, dass genau dieser begünstigte Gutachter in einem anderen sozialgerichtlichen Verfahren die erwiesene Wohltat des letzten Auftrages vergessen hat und nunmehr eine neutrale objektive Entscheidung - notfalls auch zum Nachteil der DRV und der BG - treffen wird. In diesem Zusammenhang kommt mir regelmäßig das alte Sprichwort: "wes Brot ich ess, des Lied ich sing" in den Sinn.
Lösung: Nach meiner Meinung ist hier der Gesetzgeber dringend zum Handeln aufgefordert. Entweder dürfen die Deutsche Rentenversicherung und Berufsgenossenschaften generell keine Aufträge mehr an externe freiberufliche Fachärzte vergeben oder aber, die freiberuflichen Fachärzte, die außergerichtliche Aufträge annehmen, dürfen anschließend generell nicht mehr in den sozialgerichtlichen Verfahren als Gutachter bestellt werden. Nur auf diese Weise könnte eine Objektivität des Gutachters ohne jeglichen wirtschaftlichen Zwang sichergestellt werden. Die gerichtlich eingeholten Gutachten wären dann wieder (fast) über jeden Zweifel erhaben.
Bis dahin sollten medizinische Gutachten vom Anwalt im Gerichtsverfahren mit der erforderlichen kritischen Distanz hinterfragt und notfalls ein weiteres Gutachten eingeholt werden.
Urteil des BSG vom 18.06.2013, Az: B 2 U 3/12 R und B 2 U 6/12 R: Keine Wie-Berufskrankheit bei Berufsgeigern. Die Kläger waren als Berufsgeiger besonderen Einwirkungen durch die "Schulter-Kinn-Zange" ausgesetzt. Trotzdem ist nach Auffassung des Gerichtes der Zusammenhang zwischen der "Schulter-Kinn-Zange" von Streichern und von Bandscheibenerkrankungen der Halswirbelsäule wissenschaftlich nicht hinreichend belegt => Keine Ansprüche gegen die BG.
Urteil des LSG Damstadt vom 23.10.2013, Az: L3 U 199/11:
Permanentes Mobbing (Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierung) am Arbeitsplatz und daraus entstehende körperliche Beeinträchtigungen sind weder als Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 SGB VII) noch als Wie-Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) anzusehen => Keine Ansprüche gegen die BG.
Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.03.2013, Az: L 9 U 3957/09 zur Frage der Anerkennung eines Suizides als mittelbare Folge eines in der Vergangenheit liegenden Versicherungsfalls in der Unfallversicherung. Der Tod eines Versicherten ist dann in Folge eines Versicherungsfalls eingetreten, wenn er durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht worden ist (Theorie der wesentlichen Bedingung). Das Gericht konnte im vorliegenden Fall nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Freitod wesentlich auf die Unfallfolgen zurückzuführen war.
Unfallversicherung/Wegeunfall
Urteil des LSG Halle vom 16.05.2013, Az: L 6 U 12/12:
Ein Versicherungsvertreter verläßt morgens auf dem Weg zur Arbeit sein Haus, um sodann mit dem PKW zur Arbeitstelle zu fahren. Dabei pfeift er nach seinem Hund - dieser kommt angerannt und stößt den Versicherten dabei um. Der Kläger erleidet dabei eine Knieverletzung. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Das Verabschieden vom Hund gehöre nicht zu dem versicherten Arbeitsweg. Die Klage des Versicherungsvertreters war erfolgreich. Nach Auffassung des LSG hatte sich der Unfall auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit ereignet. Die Verabschiedung vom Hund sei nur eine unerhebliche und geringfügige Unterbrechung des Arbeitswegs gewesen.
Urteil des LSG Potsdam vom 16.05.2013, Az: L 3 U 268/11
Vorbereitungshandlungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines PKW (Tanken, Inspektionen und Reparaturen) sind in der Unfallversicherung nicht versichert. Dies gilt nicht, sofern das Nachtanken während der Fahrt von oder zu der Arbeit unvorhergesehen notwendig ist, um den restlichen Weg zur Arbeit zurücklegen zu können (z.B. unvorhergesehener, kraftstoffintensiver Stau).
Urteil des BSG vom 04.07.2013, Az: B 2 U 3/13:
Sachverhalt: der Kläger befindet sich mit dem PKW auf dem direkten Heimweg von der Arbeit nach Hause. Auf dem Weg will er kurz nach links auf ein privates Grundstück abbiegen, um dort Erdbeeren an einem Stand einzukaufen. Er muss aufgrund des Gegenverkehrs vollständig abbremsen. Die Unfallgegnerin fährt ungebremst auf das Fahrzeug des Klägers auf - Anmerkung: als Wegeunfall werden versicherte Unfälle auf dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Ort der versicherten Tätigkeit (Arbeitsstätte, Schule, Universität Kindergarten, etc.) bezeichnet. Diese werden von der Unfallversicherung als Arbeitsunfall anerkannt. Aber in diesem Fall entschied das Bundessozialgericht anders: Kein Arbeitsunfall !! Das BSG hat damit seine Rechtsprechung zur räumlichen Grenze aufgegeben.
Urteil des LSG Potsdam vom 29.11.2012: Die Versicherte (geschiedene Ehefrau des Angreifers) befand sich an ihrem Arbeitsplatz (Blumenstand) und wurde von ihrem geschiedenen Ehemann vorsätzlich mit dem PKW angefahren.Sie wurde dabei erheblich verletzt. Nach Auffassung des Gerichtes erleidet sie dann keinen Arbeitsunfall, wenn ausschließlich persönliche Tatmotive, z.B. der massive Schädigungswille des geschiedenen Ehemannes, für die Tat ausschlaggebend sind - Anmerkung: konsequente, aber aufgrund eines gesunden Rechtsempfindens nur schwer nachvollziehbare Entscheidung.
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Darmstadt) vom 20.11.2013, Az: L 9 U 30/12 ZVW: Die Witwe eines Schlossers erhält keine Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern aufgrund des Zigarettenkonsums des Ehemannes nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer beruflichen Einwirkung als wesentlicher Ursache für die Krebserkrankung auszugehen ist.
Gesetzliche Grundlagen:
§ 9 SGB VII:
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
§ 1 Berufskrankheiten-Verordnung:
Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten....
Anlage 1 zur BKV
1103 Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen
2402 Erkrankungen durch ionisierende Strahlen
4109 bösartiger Neubildung in der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen
Urteil LSG Darmstadt vom 17.09.2013: Ein Lagerarbeiter will mit seiner Ehefrau telefonieren und tritt deshalb, da es in der Lagerhalle zu laut ist und eine schlechte Verbindung besteht, nach draußen auf die Laderampe. Dort kam es zum Unfall. Nach Auffassung des Gerichtes unterbrechen persönliche oder eigenwirtschaftliche Verrichtungen, wie z.B. Essen und Einkaufen, den Versicherungsschutz. Es handelte sich auch nicht um eine geringfügige Unterbrechung, weil der Arbeitnehmer mindestens drei Minuten mit seiner Frau telefoniert und sich längere Zeit vom Arbeitsplatz entfernt hatte. Der nach dem Telefonat eingetretene Unfall ist daher nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der Unfallversicherungsschutz greift daher nicht.
Urteil des SG Heilbronn vom 08.03.2013, Az: S 13 U 1513/11:
Ein Unfall während einer Wartezeit beim "Luftschnappen" und Eisessen im Schattenbereich vor einer 30 Grad warmen Montagehalle ist als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Urteil des SG Berlin vom 23.01.2013, Az: S 68 U 577/12: Der Weg vom Ort der Raucherpause zum Arbeitsplatz steht mangels sachlichen Zusammenhangs zu der versicherten Tätigkeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Bestätigung dieser Entscheidung durch die Obergerichte steht noch aus.
Urteil des BSG vom 13.02.2013: Aus der Verwendung der Begrifflichkeit "eingeschriebene Studenten" im Krankenversicherungsrecht kann im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass die Unfallversicherung jede Person in ihren Schutzbereich einbezieht, die auf irgendeine Weise in Kontakt zur Universität tritt. Aus dem Schutzzweck der Norm ergibt sich, dass in der Unfallversicherung nur die ordentlich Studierenden mit Immatrikulation an der Hochschule geschützt sind.
Urteil des LSG Hessen vom 13.11.2013, Az: L 9 U 214/09: Als Berufskrankheit zählen auch Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten. Eine solche Tätigkeit ist bei bei Fußballerspielern der 1. bis 4. Liga anzunehmen. Berufskrankheiten werden genauso wie Arbeitsunfälle von der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt.
Urteil des LSG Stuttgart vom 21.02.2013: Eine Statusentscheidung der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung nach § 7 a SGB IV entfaltet gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung keine Bindungswirkung. Dies gilt auch dann, wenn die Statusentscheidung feststellt, dass der Antragsteller eine selbständige Tätigkeit ausübt.
Filmbeitrag zum Thema Unfallversicherung
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