Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Arbeitslosengeld 2 und Bespitzelung
Beschluss des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 23.11.2005, Akz.: S 35 AS 343/05 ER: Außendienstmitarbeiter von Behörden dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine "Bespitzelungen" von Sozialhilfeempfängern durchführen - insbesondere dürfen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte Nachbarn und Dritte des Leistungsempfängers zu dessen Lebensumständen befragt werden. - ****
Kontenpfändung
Wir erlauben uns noch einmal im Zusammenhang mit einer Kontenpfändung und
Pfändung von Bargeld auf Folgendes hinzuweisen:
» Wird eine Geldleistung eines Sozialleistungsträgers auf das Konto
des Berechtigten bei einem Geldinstitut überwiesen, so ist die Forderung -
die durch die Gutschrift entsteht - für die Dauer von sieben
Tagen seit der Gutschrift der Überweisung unpfändbar
!!
Praktikanten und faire Vergütung
Der Plan von Bundesarbeitsminister Scholz, die Ansprüche von Praktikanten
in das BGB aufzunehmen und so eine Regelung zur angemessenen Vergütung
für Schülern, Studenten und Absolventen zu schafffen, ist an
Bundesbildungsministerin Annette Schavan gescheitert. Das Bildungsministerium
räumt zwar ein, dass es Firmen gebe, die Praktikanten als billige
Arbeitskräfte benutzten und sie als Lückenfüller bei
Personalengpässen missbrauchten. Das sei aber kein Massenphänomen,
sondern ein spartenspezifisches Problem. Man werde keine Regelungen
unterstützen, die zum Verlust von Praktikumsplätzen führen. Die
Bildungsministerin beruft sich dabei auf den Deutschen Industrie- und
Handelskammertag. In einer Umfrage gab jedes zweite Unternehmen an, es
würde bei Umsetzung der neuen Regeln keine Praktikanten mehr
beschäftigen. Ein Viertel der Unternehmen würde weniger Praktika
anbieten - ↓↓↓ aber: s. Urteil des LAG Baden-Württemberg/faire
Praktikumsvergütung
Kindergeld, Einkommensgrenze +Fallbeileffekt
Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 29.05.2008, Akz: III R 54/06:
1. Ausgangssituation:
Der Bezug von Kindergeld ist abhängig vom Verdienst des Kindes. Wurde
bisher der Grenzbetrag in Höhe von 7.680,- € auch nur um 1,- €
überschritten, so mussten die Eltern des Kindes auf das gesamte Kindergeld
des Kalenderjahres verzichten (sog. "Fallbeileffekt"). Meistens ergehen -
nachdem am Ende des Jahres sämtliche
Ausbildungsvergütungsbescheinigungen eingereicht wurden - parallel zwei
oder drei Bescheide der Familienkasse. Zunächst ein Aufhebungsbescheid
für das abgelaufene Kalenderjahr, ein Rückforderungsbescheid für
das bereits ausbezahlte Kindergeld im abgelaufenen Kalenderjahr und
schließlich noch ein Aufhebungsbescheid für das aktuelle
Kalenderjahr. Ein Einspruch gegen den Bescheid entwickelt bedauerlicherweise
keine aufschiebende Wirkung. Also muss zusätzlich zur Klageeinreichung
noch ein Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" gestellt werden. Kompliziert
und für den Bürger undurchschaubar wird die ganze Angelegenheit auch
dadurch, dass für eine klassisch sozialrechtliche Materie der Weg
über die Finanzgerichtsbarkeit und die Anwendung der AO vorgeschrieben
ist.
2. Entscheidungen
In den letzten Jahren sind mehrere Entscheidungen zugunsten der
Bezugsberechtigten von Kindergeld ergangen. So sind nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes vom 11.01.2005, Aktenzeichen: 2 BvR 167/02 z.B. die
Werbungskosten und die Aufwendungen für die Sozialversicherungen vom
Bruttoeinkommen abzugsfähig. Die Einkünfte und Bezüge
dürfen jedoch nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages und der
Aufwendungen für die Sozialversicherungsbeiträge nach wie vor den
Grenzbetrag von 7.680,00 € nicht überschreiten. Wenn der Grenzbetrag
nur um einen Euro überschritten wurde, war der Anspruch auf Kindergeld
vollständig entfallen.
Das Finanzgericht Niedersachsen, Aktenzeichen 1 K 76/04 vom 23.2.2006 war der
Meinung, dass der "Fallbeileffekt" verfassungswidrig sein könnte. Das
anschließende Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof wurde allerdings
von der Familienkasse zurückgenommen. Der Hintergrund hierfür war der
Umstand, dass der Bundesfinanzhof in anderen Revisionsverfahren die
Berücksichtigung privater Krankenversicherungsbeiträge zugunsten der
Kindergeldempfänger zugelassen hatte. Zum eigentlichen Streitpunkt wurde
zwischenzeitlich beim BFH ein neues Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen:
III R 54/06 eingereicht. In diesem Verfahren ging es u.a. auch um die Frage der
Berücksichtigung von Lebensversicherungsbeiträgen des Kindes im
Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Bedauerlicherweise hat der Bundesfinanzhof in dem oben genannten Beschluss -
ohne nähere Begründung und unter Berufung auf die bisherige
Rechtsprechung des VI. und VII. Senates des BFH - erklärt, dass die
Ausgestaltung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4, Satz 2 EStG als
Freigrenze verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Revision wurde
deshalb nicht zugelassen.
3. Ausblick
Die Hoffnungen der Leidtragenden des "Fallbeileffektes" sind durch die
Entscheidung des BFH etwas gedämpft worden. Allerdings gilt auch hier der
Grundsatz "Roma locuta causa finita" (freie Übersetzung: Wenn Rom
gesprochen hat, ist der Fall beendet). Erst nach der
letzten Instanz ist die Angelegenheit
tatsächlich beendet.
Darüber hinaus ist immer wieder festzustellen, dass den Familienkassen
schon bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge sowie der
Berücksichtigung von Freibeträgen gravierende Fehler zum Nachteil der
Antragsteller unterlaufen. Eine Überprüfung der Bescheide durch den
Rechtsanwalt kann sich daher durchaus lohnen.
Alg 2 und Telefonanschluss
Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 01.08.2008, Az.: S 6 AS 1786/06:
Arbeitslosengeld II-Empfänger haben keinen Anspruch auf Erstattung der
Kosten für einen Telefonanschluss. Die Kammer des SG führt aus, dass
der Gesetzgeber im SGB II einen Anspruch auf einen Zuschuss zur Erstausstattung
der Wohnung vorsieht. Von diesem Zuschuss wird zwar die Ausstattung einer
leeren Wohnung mit Einrichtungsgegenständen und –geräten, nicht
jedoch ein Telefonanschluss umfasst - Die Entscheidung ist
nach unserer Recherche bisher noch nicht rechtskräftig.
Kündigung des Dienstwagenvertrages
Urteil des LAG Köln vom 28.06.2007, Akz: 6 Sa 278/07:
Der Arbeitgeber kann eine mit dem Arbeitnehmer - neben dem Arbeitsvertrag -
getroffene Vereinbarung über die Überlassung eines Pkws
(Dienstwagenüberlassungsvertrag) aus wichtigem Grund kündigen
(Teilkündigung). Ein solcher Grund liegt z.B. vor, wenn der Arbeitnehmer
bei einer Privatfahrt mit dem Dienstfahrzeug einen Unfall verursacht hat und
dabei stark alkoholisiert war.
Geplatzter Reifen und Kaskoschaden
Urteil des Amtsgerichtes Düren, Aktenzeichen: 45 C 113/07: Ein geplatzter Reifen ist kein Kaskoschaden. Die Kaskoversicherung muss daher die Folgeschäden des geplatzten Reifens nicht tragen. Im vorliegenden Fall war auf der Autobahn der Reifen eines Wohnwagenanhängers geplatzt. Das Abdeckblech über dem Reifen wurde weggerissen und die dort liegenden Kabel beschädigt. Der Kläger wollte von seiner Kaskoersicherung Ersatz für den entstandenen Schaden in Höhe von 2.130 €. Nach Ansicht des Gerichtes handele es sich nicht um einen Unfallschaden, sondern lediglich um einen reinen "Betriebsschaden". Die Vollkaskoversicherung decke nur Schäden ab, die durch einen Unfall entstehen. Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen her "plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis". Reine Betriebsschäden - wie z.B. Brems-, Bruchschäden, Materialfehler oder die durch Abnutzung entstehen, zählen nicht dazu.
Finanzkrise und Gedichte
Schönes
Gedicht zum Thema Finanzkrise - gefunden im Internet. Ob es nun
tatsächlich aus der Feder von Kurt Tucholsky stammt und 1930 geschrieben
wurde oder nur "gefaked" ist, erscheint uns nebensächlich.
Juristen und Lyrik
Urteil des Amtsgerichtes Höxter (Fundstelle NJW 1996, S. 1162 f); Der
Angeklagte wurde bei einer BAK von 1,1 Promille unter Einziehung seines
Führerscheines zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Strafrichter verfasste
das Urteil in Versform !!
"Am 3. 3. 95 fuhr mit lockerem Sinn der Angeklagte in Beverungen
dahin.
Daheim hat er getrunken, vor allem das Bier und meinte, er könne noch
fahren hier.
Doch dann wurde er zur Seite gewunken. Man stellte fest, er hatte
getrunken.
Im Auto tat's duften wie in der Destille. Die Blutprobe ergab 1,11
Promille.
Das ist eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt, eine Straftat, und mag das
auch klingen hart.
Es steht im Gesetz, da hilft kein Dreh, § 316 I und II StGB.
So ist es zum Strafbefehl gekommen. Auf diesen wird Bezug genommen.
Der Angeklagte sagt, den Richter zu rühren:„Das wird mir in Zukunft
nicht wieder passieren!"
Jedoch es muß eine Geldstrafe her,weil der Angeklagte gesündigt,
nicht schwer.
30 Tagessätze müssen es sein zu 30,- DM. Und wer Bier trinkt und
Wein,
dem wird genommen der Führerschein.
Die Fahrerlaubnis wird ihm entzogen, auch wenn man menschlich ihm ist
gewogen.
Darf er bald fahren? Nein, mitnichten. Darauf darf er längere Zeit
verzichten.
5 Monate Sperre, ohne Ach und Weh, §§ 69, 69a StGB.
Und schließlich muß er, da hilft kein Klagen, die ganzen
Verfahrenskosten tragen,
weil er verurteilt, das ist eben so,
§ 465 StPO."
Dr. H. Richter am Amtsgericht - Grenzwertig, aber da
soll noch mal einer sagen Juristen hätten keinen Sinn für Lyrik und
Humor.
Alg 2 und Verpflegungsmehraufwand
Beschluss Sozialgericht Dresden
vom 26.06.2008, Akz: S 21 AS 1805/08
ER:
Steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen sind nicht als Einkommen auf das
Arbeitslosengeld II anrechenbar. Der Antragsteller lebt mit der
Lebensgefährtin und dem Sohn in Dresden. Er arbeitet als Monteur in den
Niederlanden. Neben seinem Lohn erhält er im Monat steuerfreie
Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von knapp 530,00 € vom
Arbeitgeber. Zusätzlich hat er Arbeitslosengeld II als Aufstockerleistung
beantragt. Die Arge lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das
Verpflegungsgeld als Einkommen anzurechnen sei. Das Sozialgericht Dresden gab
dem Antragsteller recht. Die Ernährung fernab vom eigenen Haushalt ist
teurer als zu Hause - der Gesetzgeber hat diese Aufwendungen bewusst steuer-
und sozialversicherungsfrei gestellt. Eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld
II muss daher unterbleiben - ***