Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Betriebliche Fahrerlaubnis
Urteil Bundesarbeitsgericht vom 5. Juni 2008, Akz: 2 AZR 984/06:
Die Entziehung einer vom Arbeitgeber (=öffentliches
Personennahverkehrsunternehmen)
zusätzlich zum Führerschein erteilten "betriebliche Fahrerlaubnis",
rechtfertigt für sich weder eine außerordentliche noch eine
ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers (=Berufskraftfahrer) aus
personenbedingten Gründen. Der Entzug einer "betrieblichen Fahrerlaubnis"
steht nicht dem Verlust einer gesetzlichen Fahrerlaubnis gleich, da ihre
Erteilung und ihre Entziehung nach den Regeln erfolgt, die vom Arbeitgeber
erstellt worden sind. Der Arbeitgeber hätte es sonst in der Hand, sich
selbst Kündigungsgründe zu schaffen und die Regelungen zur
verhaltensbedingten Kündigung bei Arbeitsvertragspflichtverletzungen zu
umgehen.
Arbeitsvertrag und Schriftformklausel
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 20. Mai 2008, Akz: 9 AZR
382/07:
Sachverhalt: Der Kläger war für die Beklagte als Büroleiter in
China tätig. Die Beklagte erstattete ihm aufgrund mündlicher Zusage
die Mietkosten für seine Wohnung. Nach der Kündigung verweigerte sie die
Fortsetzung dieser Übung unter Berufung auf die im Arbeitsvertrag
enthaltene Schriftformklausel. Nach dem Formulararbeitsvertrag bedürfen
Änderungen und Ergänzungen des Vertrags sowie der Verzicht auf das
Schriftformerfordernis der Schriftform (doppelte Schriftformklausel). Der
Kläger begehrte daraufhin vor den Arbeitsgerichten von der Beklagten die
Übernahme der Mietkosten bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgerichtes hat der Klage
stattgegeben. Arbeitgeberseitig vorformulierte Arbeitsvertragsklauseln sind
gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (§ 305b BGB). Der Erstattungsanspruch des
Klägers folgt aus betrieblicher Übung.
Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung
LAG Rheinland-Pfalz 14.11.2007, Akz: 7 Sa 523/07:
Durch das wiederholte Ableisten von Überstunden auf Weisung des
Arbeitgebers wird das Arbeitsverhältnis nach Ansicht
des Landesarbeitsgerichtes trotzdem nicht von einer Teilzeitbeschäftigung
zu einem Arbeitsverhältnis auf Vollzeitbasis. Für die Umwandlung
einer Teilzeitstelle in eine Vollbeschäftigung sei stets das
Einverständnis beider Vertragsparteien notwendig.
Elterngeld und Provision/Weihnachtsgeld
Sozialgericht Münster, Urteil 25.09.2007, Akz: S 2 EG 26/07: Nach Ansicht des SG Münster sind bei der Berechnung des Elterngeldes Einmalzahlungen in Form von Provisionen und Sondergratifikationen (z.B. 13 Monatsgehalt) nicht berücksichtigungsfähig.
Schmerzensgeld
Amtsgericht München, Urteil 14.03.2008, Akz: 154 C 26660/07:
Der Wurf mit einem angebissenen Döner stellt keine
schwerwiegende Verletzung der vom allgemeinen
Persönlichkeitsrecht umfassten menschlichen Würde und Ehre dar.
Sachverhalt: Eine Verkäuferin in einem Dönerladen
war mit einem Gast in Streit geraten, weil diesem der Döner offensichtlich
nicht geschmeckt hat. Da der Mann sein Geld nicht zurückbekommen hat, soll
er den Döner mit voller Wucht zielgerichtet nach ihr geworfen und sie im
Anschluss daran "blöde Kuh" genannt haben. Ihre Klage auf Schmerzensgeld wurde vom Gericht jedoch
abgewiesen. Die Beschimpfung und der zielgerichtete Wurf war letztendlich nicht
nachweisbar.
Arbeitszeugnis und Formulierung
Der Schlussabsatz im Arbeitszeugnis eines kirchlichen Arbeitgebers: "Wir bedauern sein Ausscheiden sehr und wünschen ihm auch persönlich für die Zukunft alles Gute und Gottes Segen" sehen wir als eher unvorteilhaft an.
Krankschreibung und Kündigung
Urteil des BAG vom 03.04.2008, Akz: 2 AZR 965/06:
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes kann eine außerordentliche
Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer - während er
krankgeschrieben ist - einer anderweitigen Arbeit nachgeht. Diese
Tätigkeit kann ein Hinweis darauf sein, dass der Arbeitnehmer die
Krankheit nur vorgespiegelt hat. Ferner kann in solchen Fällen eine
pflichtwidrige Verzögerung der Heilung vorliegen, die ebenfalls eine
Kündigung rechtfertige. Außerdem: Eine Kündigung kann auch dann
wirksam sein, wenn einem Arbeitnehmer mehrfach hintereinander wegen desselben
Sachverhalts gekündigt wird, aber nur mit der letzten Kündigung das
Anhörungsrecht des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) gewahrt
wird.
Hinterbliebenenrente und Fremdrentengesetz
Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 29.10.2007, Akz: S 23 KN 41/06 U: Deutsche Sozialversicherungsträger können eine in Polen gezahlte Rente einschließlich des dortigen Steuervorabzuges (sog. Bruttorente) von der für denselben Versicherungsfall gezahlten deutschen Rente in Abzug bringen.
Mietrecht und Abmahnung
Urteil des BGH vom 20.02.2008, Akz: VIII ZR 139/07:
Ein Mieter in Köln erhielt von seinem Vermieter eine Abmahnung (die
Abmahnung ist eine Voraussetzung für die Kündigung wegen
Vertragsverletzung), da sein Fernseher angeblich häufig zu laut sei.
Für den Fall weiterer Beschwerden durch die Nachbarn drohte der Vermieter
die fristlose Kündigung an. Der Mieter setzte sich gegen die - aus seiner
Sicht unberechtigte - Abmahnung durch alle Instanzen zur Wehr. Letztendlich
unterlag er aber vor dem Bundesgerichtshof. Nach Ansicht des Gerichtes werde
der Mieter durch die Abmahnung nicht in seinen Rechten verletzt. Die Abmahnung
führe dem Mieter nur ein beanstandetes Fehlverhalten vor Augen
- ↓↓↓ durch diese Entscheidung werden
Vermieter dazu verleitet, angebliche Pflicht- und Vertragsverletzungen
vorschnell und zu Unrecht abzumahnen. Der Mieter wird dagegen gezwungen, auch
eine unberechtigte Abmahnung hinzunehmen.
Praktikum und Ausbeutung
Das Deutsche Historische Museum in Berlin hat für das "dreisteste
Praktikumsangebot des Jahres 2007" eine fragwürdige Auszeichnung erhalten.
Das Museum hat einer 29-jährigen Absolventin in Deutsch und Geschiche ein
sechsmonatiges unbezahltes Praktikum angeboten und wurde dafür vom Verein
fairwork mit dem handgefertigten "Goldenen
Raffzahn" bedacht - Bundesarbeitsminister Olaf Scholz schlägt vor, die
Regelung des BBiG (Berufsausbildungsgesetz), welches in § 17 eine
"angemessene Vergütung" für die reguläre Arbeit vorsieht, ins
BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu übernehmen. Diese Regelung habe dann
eine "generalpräventive Wirkung gegen Ausbeutung" - ↓↓↓ "eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr"; eine
solche gesetzliche Regelung wird es wegen der entgegenstehenden
wirtschaftlichen Interessen in absehbarer Zeit nicht geben. Und selbst wenn -
was ist unter einer angemessenen Vergütung zu verstehen ? Der Vorschlag
ist gut gemeint, geht aber letztendlich in die falsche Richtung.