Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Discounter Kik und geringfügige Beschäftigung
Das Arbeitsgericht Dortmund hat heute entschieden, dass eine Frau mit einem Stundenlohn von 5,20 Euro unangemessen niedrig vergütet worden ist. Der Discounter Kik (Anmerkung: gehört zur Tengelmann-Gruppe) muss für die letzten vier Jahre die Differenz zu einem angemessenen Lohn nachzahlen (insgesamt über 9000 Euro). Der angemessene Lohn liegt dabei zwischen 7,90 und 8,20 Euro. Die weitere Klage der Frau wurde dagegen abgewiesen. Sie hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Lohn für Urlaubstage in diesem Zeitraum - nach Ansicht des Gerichtes fehle es an ausreichendem Vortrag wann sie Urlaub genommen habe. Die Beklagte hat die Möglichkeit gegen das Urteil in Berufung zu gehen.
Handyverbot am Steuer eines Pkw
Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.04.2008:
Die Verfassungsbeschwerde einer Rechtsanwältin gegen das Handyverbot wurde
vom Bundesverfassunggericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Kollegin
wurde zum vierten Mal innerhalb kurzer Zeit telefonierend am Steuer ihres Pkw
erwischt. Wegen der Hartnäckigkeit mit der die Anwältin das Verbot
ignorierte, verhängte das Oberlandesgericht ein Bußgeld von 240,-
Euro. Die Jurist sah dadurch ihr Persönlichkeitsrecht und ihre allgemeine
Handlungsfreiheit verletzt.
Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe
Immer wieder von entsprechenden Auskunftsstellen zu hören: Prozesskostenhilfe kann nur für
Verfahren vor deutschen Gerichten gewährt werden !!
- Stimmt so nicht: Durch Gesetz ist eine EG-Richtlinie in nationales Recht
umgesetzt worden. Einem Antragsteller im Inland (Deuschland) ist es dadurch
möglich, in einem anderen EU-Staat einen Rechtstreit mit PKH zu
führen (ausgehende Ersuchen). Ebenso kann ein Antragsteller aus dem
europäischen Ausland seinen Rechtstreit in Deutschland führen
(eingehende Ersuchen). Nach wie vor sind die subjektiven Voraussetzungen, die
hinreichende Erfolgsaussicht und das Fehlen von Mutwilligkeit zu prüfen.
- *** Problematisch sind allerdings die unterschiedlichen
Regelungen zur Bedürftigkeit in den einzelnen Mitgliegsstaaten !
Prozesskostenhilfe wird nunmehr auch für Verfahren vor dem
Europäischen Gerichtshof gewährt.
AlG II und geschwärzte Kontoauszüge
Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 3. Januar 2008, Akz: L 8 AS
5486/07 ER-B:
Wichtige sozialrechtliche Entscheidung: Personen -
die einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen - müssen vollständig
lesbare Kontoauszüge für die vergangenen drei Monate vorlegen ! Nach
Ansicht des Gerichtes ist es dabei unzulässig, einzelne Angaben unter
Berufung auf den Datenschutz zu schwärzen. Der zuständige
Leistungsträger müsse in jedem Einzelfall in der Lage sein, die
Angaben des Antragstellers zu überprüfen. Hierzu seien sowohl die
Zahlbeträge als auch Buchungstexte aller Kontobewegungen auf dem
Kontoauszug im besonderen Maße geeignet. Da die Leistungsempfängerin
keine solchen Kontoauszüge vorgelegen wollte, wurde ihr Antrag von der
Behörde nicht weiter bearbeitet. Das Landessozialgericht war der Meinung,
die Behörde habe sich richtig verhalten. Sie dürfe auf die Vorlage
ungeschwärzter Kontoauszüge bestehen, selbst wenn kein konkreter
Verdacht auf Leistungsmissbrauch bestehe - aber: andere
Entscheidung des Hessischen LSG im Beschluss vom 22. August 2005, Akz: L 7 AS
32/05 ER. Wahrscheinlich ist ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts zur
Klärung der Rechtslage erforderlich.
Defekte Geräte und Nutzungsentschädigung
Urteil des EuGH vom 17.04.2008, Akz: C-404/06
(Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.08.2006, Akz: VIII ZR 200/05):
Der Bundesgerichtshof hat in letzter Instanz nach deutschem Recht einen
Konflikt zwischen deutschem Schuldrecht und EU-Recht festgestellt und die
Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung
vorgelegt. Dieser hast entschieden: Wenn ein Händler ein fehlerhaftes
Produkt umtauschen muss, dann darf er keine Entschädigung
dafür verlangen, dass die defekte Ware vorher benutzt worden ist. Das
deutsche Schuldrecht ist daher nicht mit der EU-Richtlinie über
Verbrauchsgüter (1999/44/EG) vereinbar - *** gute
Entscheidung für alle Verbraucher
Medikamentenzuzahlung
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22.04.2008, Akz: B 1 KR 10/07 R:
Die Regelleistung des Arbeitslosengeld II (derzeit 347 €) liegt nach
Einschätzung der Sozialrichter über dem verfassungsrechtlich
geschützten physischen Existenzminimum. Arbeitslose müssen daher auch
zukünftig die gesetzlichen Zuzahlungen für Medikamente und weitere
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlen. Das BSG hat die Klage
AlG-Empfängers abgewiesen, der der Meinung war, dass die Zuzahlung
aufgrund der knappen Regelleistung nicht zumutbar sei. Sie führe zu einer
Unterschreitung des Existenzminimums und damit zur Verletzung seiner
Menschenwürde und körperlichen Unversehrtheit. In einem anderen Fall
mit dem Akz: B 1 KR 18/07 R hatte der Kläger argumentiert, die Zuzahlungen
könnten Arbeitslose und andere einkommensschwache Menschen davon abhalten,
rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Durch die Verschleppung von Krankheiten
entstünden so noch höhere Kosten. Auch dieses Argument konnte die
Richter nicht überzeugen.
Wohnungseinrichtung
Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 14.02.2007, Akz: L 2 B 261/06 AS ER:
Das Landessozialgericht hat entschieden, dass ein Pauschalsatz in Höhe von
1.100 Euro für einen allein stehenden Bezieher von Arbeitslosengeld II
ausreicht, um die Möbel, Hausrat und Haushaltsgeräte anschaffen zu
können, die für eine geordnete Lebensführung - z.B nach einem
Wohnungsbrand - notwendig sind.
Einparkhilfe und Straßenverkehrsrecht
Urteil des Amtsgerichtes München vom 19.07.2007, Akz: 275 C 16658/07: Autofahrer dürfen sich nicht blind auf die elektronische Einparkhilfe verlassen, da sie ansonsten grob fahrlässig handeln. Der Einparkende muss sich durch eigene Beobachtungen versichern, dass das Einparken möglich ist. Im vorliegenden Fall hatte die Einparkhilfe versagt, da in der Wand in Höhe der Stoßstange ein Hohlraum war.
Eingliederungsvereinbarung und SGB II
Rechtsanwalt Christian Sehn - Mannheim - Sozialrecht:
Die GfA mbH (Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration
Vorderpfalz-Ludwigshafen) verschickt derzeit Eingliederungsvereinbarungen an
Leistungsempfänger, die bereits teilzeit oder vollzeit
versicherungspflichtig beschäftigt sind. Der Leistungsempfänger wird
aufgefordert, die Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen und bis zu einem
bestimmten Datum zurück zu senden, da ansonsten eine Kürzung der
Leistung um 30% droht. Geregelt wird in der EV als Pflicht des
Leistungsempfängers:
- Abstimmung eines Aufenthaltes außerhalb des zeit- und ortsnahen
Bereiches mit dem persönlichen Ansprechpartner und
- Mitwirkung an allen Maßnahmen zur Eingliederung, insbesondere die "motivierte Fortführung der Erwerbstätigkeit"
In der Rechtsfolgenbelehrung wird der Leistungsempfänger darauf
hingewiesen, dass ein Verstoß gegen diese Grundpflichten zu einer
Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % führt.
Die Forderung der Sozialverwaltung halten wir für
unzulässig. Der Begriff "motiviert" ist vollkommen unbestimmt und kann
nahezu alles bedeuten. Es wird auch nicht ersichtlich, was die GfA eigentlich
von dem Arbeitnehmer erwartet. Möglicherweise sollen die Kriterien des
§ 31 SGB II (Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II) aufgeweicht
werden. Eine Abmahnung auf der Arbeitsstelle könnte z.B. als unmotiviertes
Verhalten gewertet und durch die GfA mit einer Sanktion belegt werden.
Pflegeversicherungsrecht
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19.04.2007, Akz: B 3 P 8/06 R:
Der Umzug aus einer bereits mit einem Zuschuss behindertengerecht gestalteten
Wohnung in eine erst noch behindertengerecht auszustattende Wohnung kann
einen Anspruch eines pflegebedürftigen Versicherten auf einen zweiten
Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung seines individuellen
Wohnumfeldes begründen - aber s. auch BSG SozR
3-3000 § 40 Nr.2+3.