Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Versuchter Betrug und Kündigung
Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt vom 12.03.2008, Akz. 17 Ca 7464/07:
Das Erschleichen geringwertiger Sozialleistungen durch die Arbeitnehmerin
rechtfertigt keine fristlose und keine ordentliche Kündigung. Zum
Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin hatte in der Betriebskantine
verbilligt gegessen, ohne im Besitz eines berechtigenden Ausweises zu sein
(dieser wäre kostenpflichtig gewesen). Die Klägerin hatte an diesem
Tag einfach den Ausweis ihres - beim gleichen Unternehmen beschäftigten -
Lebensgefährten benutzt. Der Arbeitgeber sah dies als Betrugsversuch und
kündigte fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der arbeitsvertragliche
Pflichtenverstoß ist nach Ansicht des Arbeitsgerichtes wegen des
minimalen Schadens als geringfügig anzusehen und rechtfertigt lediglich
eine Abmahnung nicht aber eine Kündigung - ** nicht
alle Arbeitsgerichte haben in der Vergangenheit ähnlich milde geurteilt !
Daher sollte man als Arbeitnehmer sehr vorsichtig sein.
Sozialgericht und Gerichtskosten
Um die Flut "aussichtsloser Gerichtsverfahren" einzudämmen, wird in einem Gesetzesentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes die Abschaffung der Gerichtskostenfreiheit gefordert. Geplant ist eine allgemeine Verfahrensgebühr von 75 € für jedes Verfahren vor den Sozialgerichten, von 150 € vor den Landessozialgerichten und von 225 € vor dem Bundessozialgericht. Gegen die Abschaffung der Gebührenfreiheit haben sich bereits der Deutsche Blinden- und Sehbehinderten-Verband sowie der Sozialverband Deutschland ausgesprochen - ↓↓↓ Die Auswirkungen dieser Forderung gerade im Bereich des SGB II (Grundsicherung) oder im SGB VI (Rentenrecht) sind nicht akzeptabel. Es ist zu befürchten, dass zahlreiche berechtigte Klagen gegen rechtswidrige Bescheide zukünftig nicht geführt werden können, da viele Rechtsuchende diese Kosten nicht aufbringen können.
Privatinsolvenz und Rentenüberzahlung
Urteil des Sozialgerichtees Dortmund vom 21.02.2008, Akz.: S 26 R
320/06:
Das SG Dortmund hat im Fall einer 57-jährigen Witwe entschieden, dass die
Deutsche Rentenversicherung trotz eines Restschuldbefreiungsverfahrens im
Rahmen der Privatinsolvenz nicht gehindert ist, die unpfändbare
Rentenzahlungsbeträge gegen Rückzahlungsforderungen aus
vorausgegangenen Überzahlungen aufzurechnen. Zum
Sachverhalt: die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte
zunächst fest, dass die Dame eine Überzahlung der Witwenrente von
insgesamt 7.714 € erhalten hatte (sie hatte geraume Zeit rentenminderndes
Einkommen erzielt). Nach Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens über
das Vermögen der Witwe, hat die Rentversicherung den zu viel gezahlten
Rentenbetrag als Insolvenzforderung angemeldet. So dann hat die
Rentenversicherung jeden Monat 100 € mit der laufenden Rente der
Klägerin (894,- Euro im Monat) aufgerechnet. Hiergegen wendet sich diese
mit einer Klage an das Sozialgericht - jedoch ohne Erfolg. Die
Rentenversicherung kann den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erbrachter
Sozialleistungen bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit mit der
laufenden Witwenrente nach § 51 Abs. 2 SGB I aufrechnen. Diese
Erklärung der Aufrechnung ist trotz der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens und des andauernden Restschuldbefreiungsverfahrens wirksam.
Die Beklagte rechnet zwar mit einer Forderung auf, die als unpfändbarer
Teil der Rente nicht zur Insolvenzmasse gehört -
Sozialleistungsträger werden im Interesse der Versichertengemeinschaft
aber dahingehend privilegiert, dass sie auch aufrechnen können, wenn die
Einzelzwangsvollstreckung und die Pfändung ausgeschlossen ist. Dies gilt
auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
eines Versicherten.
Arbeitslosengeld II und Kürzung
Beschluss des Hessischen LSG vom 05.11.2007, Akz: L 6 AS 279/07:
Das Arbeitslosengeld II darf von der Behörde um 10 % gekürzt werden, sofern der
Leistungsempfänger ohne wichtigen Grund seiner
Meldepflicht nicht nachkommt. Das Gericht hat entschieden, dass ein wichtiger
Grund nicht vorliegt, wenn etwa ein 12-jähriges Kind von der Schule
abgeholt werden "muss". Sachverhalt: die Arbeitslose war von der Arbeitsagentur
zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden. Mit der Einladung
wurde sie über eine mögliche Leistungskürzung belehrt, wenn sie
dieser Aufforderung nicht nachkommt. Die Mutter erschien zu dem Termin nicht,
da sie ihren 12jährigen Sohn von der Schule abholen musste. Das
Arbeitslosengeld wurde daraufhin um 10 % wegen Verletzug der Meldepflicht
gekürzt. Nach Ansicht des Gerichtes sei es einem zwölfjährigen
Schüler grundsätzlich möglich, den Schulweg ohne
Unterstützung der Eltern selbstständig zurückzulegen.
Kündigung und "Surfen"
Urteil des LAG Mainz 02.03.2006, Akz:4 Sa 958/05:
Weiteres arbeitsrechtliches Urteil zum Thema
Arbeitspflichten und unerlaubte Internetnutzung:
Wurde einer Arbeitnehmerin bereits ordentlich gekündigt, so kann die
Mitarbeiterin nicht nachträglich außerordentlich und fristlos
entlassen werden, wenn sie trotz Verbots und vorheriger Abmahnung zwar privat
im Internet surft, dafür jedoch monatlich lediglich etwa eine Stunde ihrer
Arbeitszeit geopfert hat - ***aber: bei diesem Fall sollte
unbedingt beachtet werden, dass das Internet nur zum Austausch von E-Mails
genutzt wurde und nicht etwa zum Besuch von Internetseiten mit pornographischen
oder verbotenen Inhalten.
Tarifvertrag und Arbeitgeberverband
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 20.2.2008, Akz: 4 AZR 64/07:
Kurzfristige Austrittsvereinbarungen ("Blitzaustritt") unter Beteiligung von
Arbeitgeberverbänden können unwirksam sein, wenn dadurch die
Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nicht unerheblich
beeinträchtigt wird. Beispiel: mit Hilfe solcher Vereinbarungen werden die
Grundlagen von Tarifverhandlungen gestört.
Existenzgründerzuschuss und ALG II
Urteil des BSG vom 06.12.2007, Akz.: B 14/7b AS 16/06 R:
der Existenzgründungszuschuss ist keine zweckbestimmte Einnahme, die einem
anderen Zweck dient als die Leistungen nach dem SGB II und die deshalb bei
der Ermittlung des Einkommens im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
unberücksichtigt bleibt. Der Existenzgründungszuschuss ist daher bei
der Berechnung von Arbeitslosengeld II als Einkommen zu
berücksichtigen.
ALG II, Vermögen und Nießbrauch
Urteil des BSG vom 06.12.2007, Akz: B 14/7b AS 46/06 R: Grundeigentum, das in absehbarer Zeit nicht verwertet werden kann und dessen Verwertbarkeit nicht vom Willen des Vermögensinhabers abhängt (Das Haus des Hartz IV-Empfänger war mit einem lebenslangen Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers belastet), ist nicht als berücksichtigungsfähiges Vermögen im Sinne des SGB II anzusehen. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des LSG aufgehoben - Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind vom Grundsicherungsträger als Zuschuss und nicht nur als Darlehen zu gewähren !!
Berufskrankheiten und Anerkennung
Urteile zum Thema Berufskrankheit:
Bescheid des SG Düsseldorf vom 05.11.2007, Akz. S 16 U 46/05: Können
bei einem Boden-Akrobaten laut Sachverständigengutachten keine
altersunüblichen Höhenminderungen einer oder mehrerer Bandscheiben
belegt werden, so liegt keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung vor.
Bescheid des SG Düsseldorf vom 24.01.2008, Akz. S 16 U 15/06: Häufige
Drehbewegungen des Kopfes über die Halswirbelsäule können nach
der herrschenden medizinischen Meinung keine Schäden an der
Wirbelsäule hervorrufen. Somit scheidet die Anerkennung einer Berufs- oder
Quasi-Berufskrankheit aus.
vertragsärztliche Tätigkeit und Altersgrenze
Beschluss des LSG SchlH vom 25.05.2007, Akz: L 4 B 406/07 KA ER:
Die Vorschriften über die Beendigung der Zulassung zur
vertrgagsärztlichen Tätigkeit bei Erreichen der Altersgrenze von 68
Jahren sind mit dem Grundgestz vereinbar - Auch die Normen
des Europäischen Gemeinschaftsrechtes sowie § 10 des AGG (Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz vom 14.08.2006) sind nach Ansicht des Gerichtes durch
die Altersbegrenzung nicht verletzt. Der Kläger war von Beruf
Psychotherapeut.