Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Unfallversicherung und Verletztengeld
Urteil des Landessozialgerichtes Hessen vom 23. Oktober 2007, Akz.: L 3 U
24/07:
Bei der Berufsgenossenschaft versicherte Arbeitnehmer erhalten nach einem
Arbeitsunfall - für die Dauer von maximal 78
Wochen - Verletztengeld. Kann nicht mit einer Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit in dem bisherigen Beruf gerechnet werden und kommt auch
keine berufsfördernde Maßnahme in Betracht, so kann die Zahlung des
Verletztengeldes auch vor Ablauf der 78-Wochenfrist beendet werden.
Voraussetzung dafür ist aber, dass der Versicherte auf einen zumutbaren
anderen Arbeitsplatz verwiesen werden kann. Zum Sachverhalt:
Der Kläger war im Baugewerbe beschäftigt und hat einen schweren
Berufsunfall erlitten. Eine weitere Tätigkeit als Bauarbeiter war daher
auf Dauer unmöglich. Die BG stellte nach fünf Monaten die Zahlung des
Verletztengeldes ein und verwies den Mann auf einfache Helfertätigkeiten
am allgemeinen Arbeitsmarkt. Aber: Nach Auffassung des LSG ist
ein allgemeiner und unspezifischer Verweis auf den Arbeitsmarkt als
Begründung für die Streichung des Verletztengeldes unzulässig.
Soll das Verletztengeld nicht mehr gezahlt werden, so muss dem Versicherten
nicht nur eine zumutbare, sondern auch eine tatsächlich zur Verfügung
stehende Tätigkeit nachgewiesen werden. Die Tätigkeit muss
darüber hinaus gleichartig und als wirtschaftlich gleichwertig anzusehen
sein. Die Revision gegen die Entscheidung wurde nicht zugelassen - ***
Verdachtskündigung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. November 2007, Akz: 2 AZR
724/06:
Eine außerordentliche Kündigung aus
wichtigem Grund kann gerechtfertigt sein, wenn der auf Tatsachen beruhende
Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter mit Fahrzeugen des Arbeitgebers zu
Lasten von dessen Haftpflichtversicherung Schäden verursacht hat und dies
in Absprache mit den Unfallgegnern geschehen ist. Eine derartige
Verdachtskündigung setzt aber voraus, dass starke
Verdachtsmomente vorliegen, die auf "objektiven Tatsachen" beruhen.
Zudem müssen diese geeignet sein, das für die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers zu
zerstören. Der Arbeitgeber muss ferner alle zumutbaren Anstrengungen zur
Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben - insbesondere muss er dem
Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.
Beriebliche Altersversorgung
Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 13. November 2007, Akz: 3 AZR
191/06:
§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB: Rechte und Pflichten aus
einem Arbeitsverhältnis, die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder
einer Betriebsvereinbarung geregelt werden,
werden bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit
dem Betriebserwerber.
§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB: Das gilt nicht, wenn die
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bei dem neuen
Betriebsinhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine
andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Aber:
tarifvertraglich begründete Ansprüche auf Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung werden nicht durch eine beim Erwerber geltende
Betriebsvereinbarung abgelöst. Sinn und Zweck des § 613a BGB ist
es, den Mitarbeitern bei einem Betriebsübergang die bisherigen
Arbeitsbedingungen zu erhalten.
Flugbegleiter und anwendbares Recht
Urteil des BAG vom 13.11.2007, Akz: 9 AZR 134/07:
Ein Vertrag unterliegt grundsätzlich dem von den Parteien gewählten
nationalen Recht (§ 27 Abs. 1 EGBGB). Diese Rechtswahl darf dem
Arbeitnehmer jedoch nicht den Schutz zwingender Bestimmungen des nationalen
Rechts entziehen, welches ohne die Rechtswahl anzuwenden wäre (Art. 30
Abs. 1 EGBGB). Dabei ist entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis engere
Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist (Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB).
Zum Sachverhalt: Die Klägerinnen sind deutsche
Staatsangehörige, die seit mehreren Jahren als Flugbegleiterinnen bei
einer US-amerikanischen Fluggesellschaft beschäftigt sind. Zu Beginn Ihrer
Tätigkeit haben diese eine - von der Beklagten in englischer Sprache
formulierte - Urkunde unterschrieben. Für Streitigkeiten sollte
ausschließlich die Gerichtsbarkeit der USA zuständig sein mit
anwendbarem Recht des Staates Illinois. Betreut wurden die Flugbegleiterinnen
jedoch von der „Base“ der Beklagten in Frankfurt am Main. Die
Beklagte lehnte die Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit ab (§ 8
TzBfG). Beide Vorinstanzen haben die Klagen noch abgewiesen - das BAG hat diese
Entscheidungen aufgehoben und die Sachen zur erneuten Verhandlung an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das LAG hat daher zu prüfen, ob
deutsches Recht anzuwenden ist.
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
Der Bundestag hat am 16.11.07 eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung beschlosssen. Die
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken für Arbeitnehmer und
Arbeitgeber von 4,2 % auf 3,3 % ab dem Jahre 2008. Dies ist die zweite
Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung innerhalb eines Jahres
(Ende 2006 noch 6,5 %).
Ferner wurde beschlossen, dass ältere Arbeitnehmer wieder länger
Arbeitslosengeld I erhalten sollen. Arbeitslose ab 50 Jahren erhalten
künftig 15 Monate (bisher 12 Monate) lang das aus der
Arbeitslosenversicherung bezahlte Arbeitslosengeld I (bei 30 Monaten
Vorversicherungszeit). Über 55-Jährige können bis zu 18 Monate
und über 58-Jährige bis zu 24 Monate ALG I-Leistungen erhalten.
Außerdem wird ein Eingliederungsgutschein (die Arbeitsagentur zahlt einen
Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber, wenn er den Arbeitslosen für
mindestens ein Jahr einstellt) für über 50-jährige Arbeitslose
eingeführt.
Sicherheitsvorschriften und Kündigung
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 14.08.2007 - 5 Sa 150/07:
Hält ein Mitarbeiter elementare Sicherheitsvorschriften des Arbeitgebers
zum Gesundheitsschutz nicht ein und verursacht er damit eine Gefährdung
für sich und andere Kollegen, so riskiert er eine fristlose
Kündigung. Da es sich regelmäßig um eine erhebliche
arbeitsvertragliche Pflichtverletzung handelt, ist eine Abmahnung nicht erforderlich.
Gerichtsverfahren und Vereinfachung
Die Bundesregierung hat eine Vereinfachung des sozialgerichtlichen und arbeitsgerichtlichen Verfahrens beschlossen. Dadurch soll die Justiz zukünftig entlastet und Prozesse im Interesse der Bürger beschleunigt werden. Hiermit wird insbesondere auf die hohe Belastung der Sozialgerichte seit der Einführung des SGB II reagiert. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen sollen eine Entlastung der Sozialgerichte und eine Verkürzung der Verfahrensdauer im Interesse der Prozessparteien herbeigeführt werden. U.a. wird eine erstinstanzliche Zuständigkeit für die Landessozialgerichte in Verfahren geschafffen, in denen es überwiegend um übergeordnete Rechtsfragen und nicht um Tatsachenfragen geht. Der Schwellenwert zur Berufung vor den Landessozialgerichten wird bei natürlichen Personen von 500 Euro auf 750 Euro und für Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen von 5.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Ferner werden die Mitwirkungspflichten der Parteien im Prozess strengeren Anforderungen unterzogen. Auch das Arbeitsgerichtverfahren soll einfacher, schneller und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Ein "Gerichtsstand des Arbeitsortes" soll den Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Ansprüche erleichtern (Außendienstmitarbeiter können dann künftig auch in dem Gerichtsbezirk klagen, in dem sie gewöhnlich arbeiten). Auch das Verfahren der nachträglichen Zulassung von Kündigungsschutzklagen wird geändert. Bisher muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben, da die Kündigung sonst als von Anfang an rechtswirksam gilt. Wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist unverschuldet versäumt, kann er die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragen. Über diesen Antrag wurde bisher in einem gesonderten Zwischenverfahren entschieden. Das Verfahren soll nun deutlich verkürzt werden. Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Mietrecht und Nebenkosten
Urteil des Bundesgerichtshof vom
14.11.2007, Akz: VIII ZR 19/07:
Die Kosten eines Nutzerwechsels sind nicht Betriebskosten, sondern Kosten der
Verwaltung.
Der Vermieter kann daher von einem Mieter für die Zwischenabrechnung
verbrauchsabhängiger Betriebskosten bei Auszug vor Ablauf des
Abrechnungszeitraumes keine Nutzerwechselgebühr verlangen.
Krankenversicherung und Bildtelefon
Urteil des Hessisches
Landessozialgericht vom 19.04.2007, Akz: L 1 KR
219/05:
Sachverhalt: das gehörlose Mitglied einer gesetzlichen
Krankenkasse hatte die Kostenübernahme eines Bildtelefons beantragt.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Das Bildtelefon ist nach Ansicht des
Landessozialgericht für die Befriedigung kommunikativer
Grundbedürfnisse nicht erforderlich. Der Kläger besitze ein
Faxgerät und könne eMails und SMS verschicken. Außerdem
könne der Kläger auch eine Webcam erwerben. Diese sei wesentlich
günstiger als ein Bildtelefon. Ob die Krankenkasse dann die Kosten einer
Webcam übernehmen muss, bleibt in dem Urteil ungeklärt.
Krankenkassen und Hilfsmittel
Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 26.10.2007, Akz: L 4
KR 5486/05 (Vorinstanz SG Karlsruhe): die gesetzliche Krankenkasse hat einer
blinden Versicherten einen Blindenführerhund als Hilfsmittel zur
Verfügung zu stellen. Die Kosten trägt die Krankenkasse.