Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
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Strassenverkehrsrecht und Owi
Urteil des OLG Hamm vom 12.07.2006, Akz: 2 Ss OWi 402/06: Wer das Handy während der Fahrt in die Hand nimmt, um eine Telefonnummer abzulesen, begeht eine verbotene Benutzung des Handy im Sinne von § 23 Abs. 1 a StVO. Unter Benutzung sei jegliche Nutzung der möglichen Funktionen eines Mobiltelefon zu verstehen, wenn das Gerät dabei in der Hand gehalten werde. Der Fahrer wurde zu 100€ Bussgeld verurteilt. Ebenfalls vor dem selben Gericht gescheitert ist eine Autofahrerin, die nur die Uhrzeit vom Handy ablesen wollte (Az. 2 Ss OWi 177/05).
Arbeitsrecht und Befristung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 11.07.2007 (7 AZR 501/06): Ein
befristetes Arbeitsverhältnis kann sich gemäß
§ 15 Abs. 5 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) auf unbestimmte Zeit
verlängern, wenn
1. der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zeit mit Wissen des Arbeitgebers
weiterarbeitet und
2. der Arbeitgeber der Weiterarbeit nicht unverzüglich widerspricht oder
dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitteilt.
Der Widerspruch kann auch vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages bei
Verhandlungen über eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
erklärt werden. In diesem Zusammenhang stellt die Ablehnung einer Bitte
des Arbeitnehmers auf einvernehmliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
einen Widerspruch gem. § 15 Abs. 5 TzBfG dar.
Mieterhöhung und Vergleichsmiete
Urteil des BGH vom 20.06.2007; Akz: VIII ZR 303/06
Die Erhöhung einer günstigen Miete muss vom Mieter hingenommen
werden, auch wenn sich seit seinem Einzug die ortsübliche
Vergleichsmiete nicht gesteigert hat. Der Mieter muss von
vornherein damit rechnen, dass die Miete stufenweise bis zur örtlich
üblichen Vergleichsmiete angepasst wird - es sei denn die Parteien haben
eine Vereinbarung getroffen, die eine Mieterhöhung
ausschließt.
Sonstige Betriebskosten
Urteil des Bundesgerichtshof vom 14.2.2007, Akz: VIII ZR 123/06
Wiederkehrende Kosten, die dem Vermieter zur Prüfung der
Betriebssicherheit einer technischen Anlage (hier: Elektroanlage) entstehen,
sind Betriebskosten, die bei entsprechender
ausdrücklicher Vereinbarung der Mietvertragsparteien als "sonstige
Betriebskosten" im Sinne von § 2 Nr. 17 Betriebskostenverordnung (bzw.
Anlage 3 Nr. 17 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung) auf den Mieter
umgelegt werden können.
Kontoabfrage durch die Sozialbehörde
Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 13.06.2007:
Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Vorschriften zur
automatischen Kontenabfrage zumindest teilweise gegen den
verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstossen. Der Gesetzgeber
erhält eine Frist zur verfassungsgemäßen Neuregelung bis zum
31.5.2008. Klargestellt wurde in diesen Zusammenhang auch noch einmal:
1. § 93 Abs. 7 und 8 AO (Abgabenordnung) ermächtigt die Gerichte,
Steuerbehörden und Sozialbehörden nur zur automatisierten Abfrage
bestimmter Kontostammdaten von Bankkunden und Verfügungsberechtigter, z.B.
Name, Geburtsdatum, Kontonummern und Depots. Kontostände
und Kontobewegungen können auf diese Art nicht abgefragt
werden. Diese Daten muss sich die Behörde auf Grundlage anderer
Ermächtigungsgrundlagen besorgen.
2. Die Kontenabrufe stehen unter dem Gebot der Erforderlichkeit. Die Normen
erlauben Kontenabrufe nur im Rahmen konkreter Verdachtsmomente.
Routinemäßige oder anlasslose Abrufe "ins Blaue hinein" sind danach
unzulässig.
Mini-GmbH oder Limited
Die Bundesregierung hat Ende Mai eine umfassende Reform des GmbH-Rechtes beschlossen. Das Mindesstammkapital beträgt im Unterschied zur "normalen" GmbH anstatt 25.000€ nur 10.000€. Davon muss nur die Hälfte einbezahlt werden. Die Gewinne der Gesellschaft dürfen solange nur zu ¾ ausgeschüttet werden, bis das Mindeststammkapital die geforderten 10.000€ erreicht. Die Gründung dieser GmbH "light" soll wesentlich erleichtert werden. Die Limited könnte damit als Alternative bereits ausgedient haben.
Hartz IV und Grundeigentum
Urteil des Sozialgerichtes Koblenz vom 03.05.2007, Akz: S 11 AS 187/06
Der Leistungsempfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
hat die Pflicht vor Inanspruchnahme von Leistungen sein eigenes Vermögen
aufzubrauchen. Es sei denn, es handelt sich dabei um
Schonvermögen oder die Freibeträge
sind noch nicht aufgebraucht. Ob ein selbst bewohntes Einfamilienhaus als
Vermögen zu verwerten ist, richtet sich nach Ansicht des SG Koblenz nicht
nach der Wohnfläche, sondern nach dem Verkehrswert des Hauses.
- **** Das Urteil hat aber noch keine Rechtskraft !
Benzinpreis und Urlaubszeit
Die Tankstellen verlangen laut einem ADAC-Bericht ab diesen Dienstag im Durchschnitt 1,39 € für einen Liter Super und 1,17 € für Diesel. Das ist ein Preissprung von ca. 4,5 Cent seit Montag. ADAC-Aussage: "Da kann auch der sehr hohe Ölpreis von knapp 78 Dollar je Barrel Brent nicht als Ausrede herhalten" - ↓↓↓ die übliche Benzinpreiserhöhung pünktlich zur Urlaubszeit.
Animation und Reisemangel
Urteil des BGH vom 12.06.2006, Akz: X ZR 87/06 zum Thema Reiserecht. Die Klägerin besuchte eine Animationsveranstaltung im Hotel am Urlaubsort. Die Animateurin bot im Zusammenhang mit einem "Wetten-dass-Spiel" einem Kind die Wette an: "Wetten, dass deine Mama nicht in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einsammeln kann ?" Die Zuschauer warfen so dann Ihre Schuhe auf die Bühne. Ein Schuh mit hohem und spitzem Absatz traf dabei die - in der ersten Reihe sitzende - Klägerin am Hinterkopf. Ihr Hausarzt diagnostizierte zunächst eine Gehirnerschütterung. Nachdem stärkere Beschwerden auftraten, machte die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen eines Schädel-Hirn-Traumas geltend. Der BGH hat die vertragliche Haftung des Reiseveranstalters dem Grunde nach bejaht. Der Unfall ist ein Reisemangel, weil die Gefahr des Schuhewerfens und die verbundene Verletzungsgefahr nicht fern lagen. Die Animateurin ist als Erfüllungsgehilfin des Reiseveranstalters zu sehen - diese hätte die Gefahr vorhersehen müssen. Notfalls hätte Sie das Schuhewerfen verbieten müssen. An der Fristversäumung nach § 651g Abs. 1 BGB trifft die Klägerin kein Verschulden. Der Rechtstreit wurde zur Klärung von Kausalitätsfragen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Pflichtteil und Grundstück
Rechtsanwalt Sehn - Mannheim
Laut einem Spiegelbericht wird im nächsten Jahrzehnt die unglaubliche
Summe von 2,5 Billionen Euro vererbt. Nur jeder zweite Bundesbürger regelt
seine Erbfolge in einem Testament. In den übrigen Fällen tritt dann
meistens die gesetzliche Erbfolge ein. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung
sind die Abkömmlinge des Erblassers (Sohn und Tochter) - § 1924 Abs 1
BGB. Kinder erben zu gleichen Teilen - § 1924 Abs 4 BGB. Hinterlässt
also der letztversterbende Elternteil Sohn und Tochter, dann erben beide je zu
½. Hinterlässt der letztversterbende Elternteil drei Kinder, so
erben alle Drei je zu einem Drittel, usw. Wird das Erbrecht eines der Kinder
z.B. durch Testament ausgeschlossen (Enterbung), so verbleibt diesem trotzdem
noch der Pflichtteil. Der Pflichtteil wiederum besteht in der
Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils - § 2303 Abs 1 BGB. Die
Tochter, die also normalerweise ½ geerbt hätte, bekommt nach
der Enterbung nur noch ¼ als Erbteil. Erweist sich ein
Abkömmling als erbunwürdig (z.B. Verbrechen oder schweres
vorsätzliches Vergehen gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten, ehrloser
oder unsittlicher Lebenswandel des Abkömmlings wider den Willen des
Erblassers, usw.), so kann ihm auch der Pflichtteil entzogen werden - §
2333 BGB. Die Verfasser des BGB haben mit dem Pflichteilsrecht ein
ausgeklügeltes, rechtliches System geschaffen. Besteht die Erbmasse
hauptsächlich aus einem Grundstück mit Immobilie, so
wurde in der Vergangenheit häufig vom Erblasser und dem Begünstigten
versucht, das Pflichtteilsrecht eines Kindes durch Schenkung
zu umgehen. Beliebt war in diesem Zusammenhang die Variante, das
Grundstück mit Immobilie 10 Jahre vor Eintritt des Erbfalls zu
verschenken. Normalerweise kann der Pflichtteilsberechtigte bei Schenkungen an
dritte Personen als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um
den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand den
Nachlass hinzugerechnet wird - sogenannter
Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser
Ergänzungsanspruch greift jedoch nicht, wenn zur Zeit des Erbfalles zehn
Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind -
§ 2325 Abs 3 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte steht dann mit leeren
Händen da und erhält allenfalls einen Pflichtteil aus den vorhandenen
mobilen Vermögenswerten des Erblassers. Eine sehr unbefriedigende
Situation für den eigentlich Erbberechtigten. Personen, die nach der
gesetzlichen Erbfolge nicht oder noch nicht erbberechtigt wären,
profitieren von dieser Regelung oder nutzen diese "Lücke" im System gar
planvoll aus. Da erfüllt es den Rechtsuchenden schon mit einer gewissen
Genugtuung, dass der Bundesgerichtshof in einem umfassenden Urteil dieser
verwerflichen Praxis zumindest teilweise einen Riegel vorgeschoben hat und das
Pflichtteilsrecht in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg
sowie im übrigen Bundesgebiet damit aufwertet.