Anwalt und Weblog
Auf dieser Seite werden
wir Ihnen aktuelle Entscheidungen der Gerichte und Rechtsfälle aus den
Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht und Allgemeines Zivilrecht
vorstellen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.
< >
















Teilzeitbeschäftigung
Urteil Bundesarbeitsgericht vom 08.05.2007 - Akz: 9 AZR 874/06
hat ein tarifgebundener, teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer den Wunsch
nach einer Arbeitszeitverlängerung im Betrieb angezeigt, so ist er bei der
Besetzung eines freien Arbeitsplatzes - wenn er die gleiche Qualifikation
besitzt - bevorzugt vor externen Bewerbern zu berücksichtigen. Dies gilt
auch, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsstelle "tariffrei" vergeben will.
Passivrauchen und Arbeitslosengeld
Urteil des Landessozialgerichtes Hessen, Akz: L 6 AL 24/05
Ein Arbeitnehmer, der durch seine Arbeitskollegen zum "Passivrauchen" gezwungen
wird, kann sein Arbeitsverhältnis ohne die Konsequenz einer
Sperrzeit aufkündigen. Voraussetzung dafür ist aber,
dass er beim Arbeitgeber auf Abhilfe des Problemes gedrängt hat. Eine
Sperrzeit hinsichtlich des Arbeitslosengeldes wegen absichtlicher
Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ohne wichtigen Grund muss nicht
befürchtet werden. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber gesamten
Betrieb das Rauchen erlaubt und die Beschwerden des Klägers ignoriert.
Dieser kündigte daraufhin und erhielt prompt eine
Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit. Seine Klage
hatte vor dem LSG Erfolg. Die Bundesagentur für Arbeit hat auf die
Einlegung einer Revision verzichtet.
SGB XI und Pflegstufe "0"
Pflegestufe "0" ist ein inoffizieller Begriff aus der sozialen
Pflegeversicherung. Man bezeichnet damit die Personen, deren
Pflegebedürftigkeit die Leistungsvoraussetzungen der
Pflegeversicherung nicht oder noch nicht erfüllen und die daher keinen
Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen haben. Da die
Leistungshürden dieser Versicherungsart recht hoch sind, können
dies durchaus auch Personen mit erheblichem Krankheitsbild sein. Wer vom MdK (=
Medizinischer Dienst der Krankenkasse) mit "0" eingestuft wurde, kann:
1. Widerspruch und später Klage einreichen - oder
2. den Bescheid akzeptieren und später einen Antrag auf Neubegutachtung
stellen - oder
3. beim Sozialamt "Hilfe zur Pflege" beantragen !
Krankenkassenwechsel und Pflegeversicherung
Bitte beachten Sie:
Wenn Sie sich für eine Krankenkasse entschieden haben, dann sind sie
automatisch auch Mitglied der Pflegekasse dieser Krankenversicherung. Es ist
daher bei einem Krankenkassenwechsel Vorsicht geboten, wenn
ein Leistungsfall in der sozialen Pflegeversicherung eingetreten ist und
bereits Leistungen (z.B. Pflegegeld in der Pflegestufe 1) bezogen werden. Mit
dem Wechsel endet die Mitgliedschaft nicht nur bei der alten Krankenkasse,
sondern auch bei der bisherigen Pflegekasse !! Die "neue" Pflegekasse ist aber
nicht an die Entscheidung der "alten" Pflegekasse gebunden und kann daher das
Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen erneut überprüfen. Sie kann
dabei zu einem abweichenden Ergebnis kommen und die Leistungen streichen. Ein
gesetzlicher Vertrauensschutz existiert nicht. Von einem Wechsel sollte daher
abgesehen werden, wenn die Leistungsvorausetzungen nur knapp erreicht werden
(z.B. Grundpflege von 47 min/täglich in der PS 1)
Ebay und FAQ
Folgende Frage taucht im Zusammenhang mit Ebay immer wieder auf:
Ich steigere auf meinen eigenen Artikel mit (z.B. über den Account eines
Freundes) und treibe damit den Preis des Artikels beträchtlich in die
Höhe. Rechtsfolgen ? Antwort:
1. Verstoß gegen § 10 Abs. 6 der AGB von Ebay. Kann zum Ausschluss
von der Nutzung führen.
2. Sehr wahrscheinlich ein verwirklichter Betrugstatbestand (§ 263
StGB).
3. Wettbewerber des Schummlers könnten wegen eines Verstosses gegen das
UWG (= Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) gegen diesen vorgehen.
Arbeitszeugnis und Auffälligkeiten
Empfehlung: Sobald Sie Ihr Zwischenzeugnis oder Endzeugnis erhalten haben, sollten Sie den Briefbogen zunächst auf Abweichungen vom "normalen" Erscheinungsbild untersuchen. Ist z.B. die Telefonnummer der Personalabteilung - entgegen der sonstigen Gewohnheit - unterstrichen oder in Fettdruck, so könnte dies darauf hindeuten, dass der Aussteller über den eigentlichen Zeugnisinhalt hinaus noch mehr zu erzählen hat und dem Leser des Arbeitszeugnisses seine telefonische Auskunftbereitschaft signalisiert.
Mietrecht und "besenrein"
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.06.2006, Akz: VIII ZR 124/05:
Häufig ist in Mietverträgen die Klausel zu finden, dass der Mieter
das Mietobjekt bei Auszug besenrein an den Vermieter zu
übergeben hat. Was ist aber damit gemeint ? Nach dem BGH ist eine Wohnung
dann besenrein, wenn die Mieträume keine "groben Verschmutzungen" mehr
aufweisen. Allerdings ist auch der Terminus "grobe Verschmutzung"
auslegungsfähig. Es darf daher bezweifelt werden, dass das Urteil
Rechtssicherheit gebracht hat. Das LG Berlin hat es dagegen auf den Punkt
gebracht: "besenrein" ist eine Wohnung sicherlich dann nicht, wenn im Backofen
eine erkaltete Pizza zurückgelassen wird - Hinweis:
besenrein bedeutet auf gar keinen Fall, dass Sie Schönheitsreparaturen
durchführen müssen.
Verkehrsunfall
Wenn Sie an dem Verkehrsunfall keine Schuld tragen und lange
Prozesse bis zur Schadensregulierung verhindern wollen, dann sollten Sie zur
Beweissicherung folgendes Equipment im Auto mit sich führen:
- Bleistift, Schreibblock und weiße Kreide
- Einmalkamera (5 €) oder Handy-Kamera
- Zollstock (oder kostenloses Maßband aus dem Möbelhaus)
- europäischer Unfallbericht (erhältlich bei allen
ADAC-Stellen)
Folgende Maßnahmen sollten eingeleitet werden, nachdem die Unfallstelle
gesichert und Verletzte versorgt wurden.
- Fahrzeuge in Endposition aus allen vier Himmelsrichtungen mit der Kamera
einfangen.
- Schäden an den Fahrzeugen mit der Kamera aus verschiedenen
Blickwinkeln dokumentieren.
- Foto der gesamten Unfallsituation anfertigen (z.B. Bild der ganzen
Kreuzung, Ampelanlage)
- Glassplitter und Bremsspuren mit der Kreide markieren und wiederum
fotografieren.
- Schäden an beiden PKW fotografieren (Maßband/Zollstock vom Boden
ab danebenhalten)
- wenn noch Zeit bleibt: mit den Schreibutensilien Unfallskizze
anfertigen.
- nach Räumung der Unfallstelle unbedingt die Personaldaten aller Zeugen
aufnotieren (Name, Adresse, Telefonnummern). Idealerweise noch eine kurze
Unfallbeschreibung durch die Zeugen unterschreiben lassen.
- Personalausweis und Führerschein des Unfallgegners einsehen (bei
Ausländer auch die grüne Versicherungskarte) und die Daten
notieren. Auf eventuelle Alkoholisierung des Unfallgegners achten ! Wenn
möglich: Unfallgegner Unfallbericht unterschreiben lassen.
- auf gar keinen Fall ein eigenes Schuldeingeständnis
abgeben.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Handelblatt hat heute von einer Entscheidung des Arbeitsgerichtes Osnabrück berichtet. Danach soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) teilweise gegen europäisches Recht verstossen. Im deutschen AGG stehe ausdrücklich, dass das Gesetz bei Kündigungen keine Anwendung finde (§ 2 Abs.4 AGG). Das osnabrücker Arbeitsgericht hält diesen Absatz für nicht konform mit dem Europarecht. Die EU-Diskriminierungs-Richtlinie, die dem AGG zugrunde liegt, beziehe sich ausdrücklich auch auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. - Das letzte Wort hat hier das Bundesarbeitsgericht.Die Auswirkungen in Arbeitsgerichtprozessen dürften jedoch vor allem für ältere Arbeitnehmer gravierend sein.
Scheinselbständigkeit und Sozialversicherung
Urteil des Hessischen Landessozialgerichtes vom 19.10.2006, Akz: L 8/14 KR
1188/03
Fahrer des Paketdienstes "German Parcel" sind keine selbständigen
Unternehmer, sondern Beschäftigte in abhängiger Stellung. Sie
unterliegen der Sozialversicherungspflicht.
Zum Fall: Die Krankenkasse forderte nachträglich für einen
Transportfahrer Beiträge in Höhe von knapp 110.000 € von "German
Parcel". Das Unternehmen war der Ansicht, dass der Fahrer selbständiger
Unternehmer sei. Die Richter des LSG waren anderer Meinung, da der Fahrer
seinen PKW mit dem Schriftzug von "German Parcel" lackiert und die Kleidung des
Paketdienstes getragen habe. - **** Hintergrund dieser Entscheidung: Immer mehr Unternehmen bürden
das unternehmerische Risiko ihren Mitarbeitern auf und führen Sie z.B als
freie Mitarbeiter oder Subunternehmer. Dadurch befreien sich die Unternehmen
zunächst vom Arbeitgeberanteil in der Sozialversicherung, sehen sich nicht
mit Urlaubsansprüchen von Arbeitnehmern konfrontiert und wälzen zudem
das Krankheitsrisiko auf die Mitarbeiter ab, da es keine Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall gibt.